Chronische Pseudomonas-Besiedelung der Lunge bei Mukoviszidose: Ein Erfahrungsbericht

Laut Deutschem Mukoviszidose-Register 2022 (PDF) haben 8,3 % der Kinder und Jugendlichen und 49 % der erwachsenen Patientinnen und Patienten mit Mukoviszidose eine chronische Infektion mit dem Bakterium Pseudomonas aeruginosa. Die chronische Infektion und Inflammation kann zu einer Fibrosierung und einer respiratorischen Insuffizienz der Lunge – der häufigsten Todesursache bei Mukoviszidose – führen.

Wie gehen Betroffene damit um? Im Interview schildert Marlene*, wie für sie das Leben mit einer Pseudomonas-Besiedelung ist. Sie hat Mukoviszidose (auch Cystische Fibrose, CF) und trägt den Keim seit fast 40 Jahren in ihrer Lunge.

PARI-Blog: Marlene, Sie sind 46 und leben fast Ihr gesamtes Leben mit einer chronischen Pseudomonas-Besiedelung der Lunge. Wie und wo haben Sie sich mit dem Feuchtkeim infiziert?

Marlene: Im Alter von 9 Jahren musste mir im Krankenhaus ein Spreißel operativ entfernt werden. Ich war deswegen circa eine Woche im Krankenhaus. Beim anschließenden Sputum-Befund wurde der Keim zum ersten Mal nachgewiesen. Es besteht also eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass ich mir den Keim im Krankenhaus geholt habe.

PARI-Blog: Wie wurde die Erstinfektion damals behandelt?

Marlene: Gar nicht. Ich habe meine Dauerprophylaxe gegen Staphylokokken weitergenommen, inhaliert wie immer und das wars. Damals gab es noch keine inhalativen Antibiotika. Ich kann mich nicht erinnern, ob es damals nicht üblich war, umgehend mit einer intravenösen (IV) Antibiotika-Therapie dagegen zu schießen. Oder ob ich nicht für zwei Wochen allein ins Krankenhaus wollte: Heim-IV-Therapien waren zu diesem Zeitpunkt nicht möglich.

PARI-Blog: Aber die Pseudomonas-Besiedlung konnte doch nicht auf ewig unbehandelt bleiben, oder? Wann hatten Sie Ihre erste IV-Antibiose und was hat diese bewirkt?

Marlene: Im Alter von 12 Jahren ging ich auf Empfehlung meines damaligen Lungenfacharztes ins Krankenhaus und startete mit einer IV-Penicillin-Gabe – leider wusste keiner, dass ich darauf allergisch bin. So erlitt ich nach wenigen Minuten einen anaphylaktischen Schock, an dem ich beinahe gestorben wäre. Mein Arme und Beine waren komplett blau, ich war im Gesicht aufgequollen. Aufgrund der extremen allergischen Reaktion war meine Lunge auch aufgeschwollen.

Als Konsequenz daraus entwickelte ich ein allergisches Asthma und hatte in den Folgejahren ab und zu Erstickungsanfälle. Diese Erfahrung ließ meine Begeisterung für eine IV-Therapie von einem sowieso schon niedrigen Niveau auf 0,0 sinken, wie man sich vorstellen kann. Erst Jahre später – ich glaube ab 16 Jahren – konnte ich mich dazu überwinden, circa einmal jährlich einen Standard-IV-Therapie zu machen.

PARI-Blog: Wie hat sich Ihre Lungenfunktion seit der Pseudomonas-Infektion entwickelt?

Marlene: Einen Verlauf meiner Lungenfunktion (FEV1) von Beginn meines Lebens bis heute habe ich nicht vorliegen. Ich kann mich erinnern, dass mein FEV1 im Kindes- und Jugendalter immer zwischen 60 und 68 % lag. Als junge Erwachsene habe ich mal an den 80 % gekratzt. In der Zeit machte ich sechs Mal die Woche täglich circa eineinhalb Stunden Sport – Karate und Schwimmen. 79 % FEV1 ist bis heute mein Top-Lungenfunktionswert.

Mein Beispiel zeigt, dass der Wert trotz chronischer Pseudomonas-Besiedelung nicht immer nur abwärts gehen muss. Allerdings ging es einige Jahre später dann doch tiefer abwärts, als ich mir je hätte vorstellen können.

PARI-Blog: Wie kam es zu dieser starken Verschlechterung der Lungenfunktion?

Marlene: Da gibt es zwei Schlüsselepisoden in meinem Leben. Bei der ersten war ich 19 Jahre alt. Aufgrund meiner Schimmelpilz-Allergie hatte man mir eine hohe Dosis Kortison verordnet, die aber zu hoch für mein Körpergewicht ausgelegt war. Da Kortison das Immunsystem dämpft, konnten die Keime rasend schnell in meiner Lunge wachsen.

Innerhalb weniger Tage stürzte mein FEV1 Wert von 68 % auf 42 % ab. Mit hohem Fieber musste ich für drei Wochen ins Krankenhaus und erhielt drei unterschiedliche Antibiotika intravenös. Wie schon bei meinem anaphylaktischen Schock gab es damals auch einen Moment, bei dem ich dachte: Das war’s jetzt mit meinem Leben. Ich verabschiedete mich innerlich von meiner Familie und sagte ihnen, dass ich sie sehr liebhätte. Ich wollte, dass das das Letzte ist, was sie von mir hörten.

Glücklicherweise kam es anders: Die Antibiotika schlugen nach circa einer Woche doch an und ich sprang dem Tod erneut von der Schippe. Auch intensive Inhalation und Atemtherapie waren wichtig für die Genesung dieser schweren Lungenentzündung.

Im Krankenhaus habe ich im Bett fast in jeder freien Minute ein oszillierendes Atemtherapiegerät genutzt, bin Treppen gestiegen. Ich habe Dreh-Dehnlagen gemacht, um das Sekret zu mobilisieren und abhusten zu können. Einige Wochen nach dem Krankenhausaufenthalt war ich wieder zurück bei meinem alten FEV1.

PARI-Blog: Das war die erste Situation. Und welches war die zweite, in der Ihnen der Pseudomonas-Keim richtig Probleme gemacht hat?

Marlene: Zu einem langsamen kontinuierlichen Absinken kam es mit dem Jobeintritt. Ich arbeitete in einer Werbeagentur mit vielen Überstunden. Für Sport und viel Schlaf blieb da weniger Zeit, was einen schlechteren Gesundheitszustand zur Folge hatte.

Mir war es aber immer schon wichtig, dass ich ein „normales“ Leben führe und mit den „Gesunden“ mithalten kann. Daher nahm ich das in Kauf. Richtige und nachhaltige Probleme hat mir der Pseudomonas-Keim mit dem Kita-Start meines Kindes gemacht.

Auch hier hatte ich wieder Pech und mehrere ungünstige Faktoren spielten zusammen. Meine neue CF-Ambulanz reduzierte meine Inhalationstherapie, mein Kind brachte ständig Atemwegsinfekte nach Hause, die auf mein durch Schlafmangel und Doppelbelastung (Mutterschaft und Beruf) geschwächtes Immunsystem trafen. Das hatte ständige Lungenentzündung durch den Pseudomonas zur Folge, die ich mit immer häufigeren und längeren IV-Therapien bekämpfen musste.

Nach einer Weile stellte ich meine Inhalationstherapie auf die alte zurück. Das brachte etwas Besserung. Aber durch die vielen Lungenentzündungen war das Gewebe schon so sehr geschädigt und übersäht mit Bronchiektasen. Mein neuer Arzt sagte mir damals, dass ich vermutlich noch 10 Jahre auf diesem niedrigen Niveau hätte und dann Tod oder Lungentransplantation die Optionen wären. Meinen FEV1-Tiefstwert erreichte ich im Dezember 2017: 35 %.

PARI-Blog: Das ist also sechs Jahre her. Sie machen aktuell aber nicht den Eindruck, als ob Sie eine Lungentransplantation benötigen würden.

Marlene: Zum Glück! Heute geht es mir auch deutlich besser. Mein FEV1 liegt aktuell bei circa 56 %. Das habe ich eindeutig der Tatsache zu verdanken, dass ich seit 2020 – zunächst über eine Studie – Triple-CFTR-Modulatoren nehmen kann. Den Einschluss FEV1 von 40 % schaffte ich damals gerade so.

Seit der Einnahme der Triple-CFTR-Modulatoren geht es mir kontinuierlich besser. Der Pseudomonas macht fast keine Probleme mehr, obwohl meine Lunge noch davon besiedelt ist. Seit 2020 habe ich zwei IV-Therapien gemacht – eine davon wäre gar nicht notwendig gewesen. Die habe ich als Prophylaxe durchgeführt.

PARI-Blog: Wie schön, dass der Pseudomonas durch die Triple-CFTR-Modulatoren-Therapie zurückgedrängt werden konnte. Wie sieht seither Ihre Inhalationstherapie aus?

Marlene: Die Einnahme von Triple-CFTR-Modulatoren ändert nichts an meiner bisherigen Inhalations- und Atemtherapie. Ich mache alles so wie vorher und inhaliere zwei Mal täglich je circa eine Stunde feucht. Dafür nutze ich den eFlow®rapid, in dem ich hypertone Kochsalzlösung mit atemwegserweiternden Medikamenten inhaliere, anschließend noch andere Mucolytika sowie Antibiotika.

Die Inhalationstherapie mit Salzlösungen würde ich niemals komplett absetzen. Ich sehe sie als Prophylaxe, Schutz und Befeuchtung der Atemwege. Außerdem stellt sie sicher, dass kein Sekret in der Lunge bleibt. Je weniger Schleim in den Bronchien, umso weniger Nährboden für den Pseudomonas.

Außerdem vertrage ich Antibiotika, die aktuell zur Trockeninhalation zur Verfügung stehen, nicht. Sie lösen bei mir entweder Hustenreiz oder ein Engegefühl in der Lunge aus. Manchmal habe ich das Gefühl, dass zu viel Medikament im Mund- und Rachenraum hängen bleibt. Bei der Feuchtinhalation kommen meiner Meinung nach die Wirkstoffe sicher in den Bronchien an.

Allerdings gehe ich mit der Inhalationstherapie mittlerweile lockerer um. Früher habe ich um 3 Uhr morgens inhaliert, wenn wir zum Beispiel um 5 Uhr zum Flughafen in den Urlaub losmussten. Das mache ich heute nicht mehr, sondern gönne mir eine Stunde mehr Schlaf. Aber auch heute kann ich die Male, die ich die Inhalation in diesem Jahr habe ausfallen lassen, an einer Hand abzählen.

PARI-Blog: Liebe Marlene, vielen Dank für das offene Gespräch.

* Auf Wunsch der Interview-Partnerin zur Wahrung der Privatsphäre wurde der Name von der Redaktion geändert.


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Hinweise: Bei den im Interview getroffenen Aussagen handelt es sich um die individuelle Sichtweise der Interviewten. Diese spiegelt nicht zwangsläufig die PARI Sichtweise oder den allgemeinen Stand der Wissenschaft wider.

CFTR-Modulatoren verbessern die bei der Mukoviszidose fehlerhafte Funktion des CFTR-Kanals. Seit 2020 ist in Deutschland eine Dreifachkombination von CFTR-Modulatoren zugelassen. Seitdem befindet sich die CF-Therapie im Wandel und wird noch individueller als bisher auf Zustand und Bedürfnisse des Patienten ausgerichtet.


Ein Beitrag der PARI-BLOG Redaktion.


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