Individuelle Mukoviszidose-Therapie in Zeiten von CFTR-Modulatoren – ein Interview mit Forscher und Patient Dr. Zißler

Dr. Ulrich Zißler ist als Forscher am Deutschen Lungenzentrum in München tätig. Er widmet sich erfolgreich der Erforschung allergischer Erkrankungen und der Allergen-spezifischen Immuntherapie. Außerdem leidet er selbst an Mukoviszidose (Cystische Fibrose, CF). Er erzählt, was sich in seiner Therapie mit Hinblick auf die Inhalation verändert hat, seit er CFTR-Modulatoren einnimmt.

PARI-Blog: Herr Dr. Zißler, Sie sind erfolgreich in der Forschung tätig. Gleichzeitig erfordert die Therapie für Sie als Mukoviszidose-Patient viel Zeit. Wie gehen Sie damit um?

Dr. Zißler: Ich habe durch meine Physiotherapeuten schon in der Kindheit ein gutes Gespür für meinen Körper und krankheitsbedingte, akute Veränderungen entwickelt. Dabei habe ich immer darauf geachtet, das für mich ideale Maß an Therapie zu erfüllen. Tat ich das nicht, bemerkte ich sehr schnell, wie sich meine Gesundheit verschlechterte.

Ansonsten ist es harte Arbeit und eiserne Disziplin, diese Erkrankung zu bewältigen – ich sage immer meine „erste Arbeitsstelle“ dazu. Feuchtinhalation und physiologische Umlagerungen in Kombination mit PEP-System und Flutter sind dabei sehr wichtig. So kann das Sekret abgehustet und Atelektasen verhindert werden.

Trotz meiner Vollzeitstelle als Forscher führe ich meine tägliche Therapie gewissenhaft durch. Das ist ein Zeitaufwand von mehreren Stunden am Tag. So kann ich die Anzahl an Exazerbationen möglichst geringhalten.

PARI-Blog: Was hat sich für Sie in Ihrer Mukoviszidose-Therapie mit der Einführung der CFTR-Modulatoren geändert?

Dr. Zißler: Mit Einführung der CFTR-Modulatoren habe ich die Therapie nur dahingehend verändert, dass ich neben der Einnahme von oralen Antibiotika inhalative Antibiotika nur noch nach Bedarf inhaliere. Leichte Infekte stecke ich auch besser weg, die Frequenz hat sich etwas verringert.

PARI-Blog: Welche Bedeutung hat für Sie die inhalative Basistherapie bei Mukoviszidose mit hypertoner Salzlösung oder inhalativen Antibiotika?

Dr. Zißler: Diese Therapie ist für mich überlebensnotwendig, da sich der Schleim ansonsten selbst mit CFTR-Modulatoren verdickt – wenn auch nicht in dem Maß wie vor der Modulator-Therapie. Auf alle Fälle sind inhalative Antibiotika bei Atemwegsinfekten für mich sehr wertvoll. Denn damit kann ich frühzeitig verhindern, dass sich auf virale Erkrankungen noch eine bakterielle Verschlechterung „draufsetzt“.

PARI-Blog: Was schätzen Sie besonders an der Inhalation mit hypertoner Kochsalzlösung?

Dr. Zißler: Die Inhalation mit hypertoner Kochsalzlösung sehe ich als meinen täglichen „Spaziergang am Meer“. Durch die hypertone Lösung wird das Sekret nicht so dick und ich kann es relativ gut und produktiv abhusten.

Zudem benötige ich die Therapie, um „in meinen Körper hineinzuhören“ und das Sekret zu lokalisieren. So kann ich gezielt dorthin atmen. Das verhindert zwar nicht komplett, dass sich mein Zustand verschlechtert. Ich kann aber die Entstehung von CF-bedingten Atemwegs-Komplikationen schnell erkennen und entsprechend gegensteuern.

PARI-Blog: Hat sich an der Physiotherapie, die Sie wegen der Mukoviszidose durchführen, etwas geändert, seit Sie CFTR-Modulatoren einnehmen?

Dr. Zißler: Ich führe die Physiotherapie im gewohnten Maße weiter, da die CFTR-Modulatoren nichts an der skeleto-muskulären Problematik der CF ändern. Die Muskelverspannungen, die sich über mein bisheriges Leben aufgebaut haben, sind nicht komplett reversibel. Deshalb muss die Thoraxmobilisation weiterhin ein wichtiger Bestandteil der Therapie bleiben.

Die Kräftigung der Atemwege kann ich zwar zusätzlich über Aktivitäten wie das Spielen eines Blasinstruments (in meinem Fall das Waldhorn) und Yoga unterstützen. Es bleibt aber immer ein Zusammenspiel verschiedener Elemente, die ich versuche, in meinen Tagesablauf zu integrieren.

PARI-Blog: Haben Sie die inhalative Basistherapie schon mal abgesetzt oder die Häufigkeit reduziert, seit Sie CFTR-Modulatoren einnehmen?

Dr. Zißler: Ich habe im Rahmen eines Selbstversuchs zu Beginn der Modulator-Therapie die Therapie mit hypertoner Salzlösung für zwei Wochen auf einmal täglich reduziert – jedoch nie ganz abgesetzt. Obwohl ich während dieser Zeit keinen Infekt hatte und die Färbung des Sekrets von einem dunklen Gelb-Grün zu Hellgelb wechselte, wurde das Sekret wieder zäher und mehr. Daraufhin habe ich die Frequenz meiner Therapie wieder auf mein individuelles Normalmaß erhöht. So konnte ich meinen Normalzustand wiederherstellen.

PARI-Blog: Welche Entscheidungen treffen Sie allein und welche sprechen Sie mit dem behandelnden Team im CF-Zentrum ab?

Dr. Zißler: Ich treffe akute Entscheidungen meist selbst, stimme diese aber im weiteren Verlauf eng mit der Ambulanz ab. Vor allem hilft es oft, den Expertenblick von außerhalb zu bekommen und die Einschätzung der Situation zu besprechen. Die Medikation und gegebenenfalls zusätzliche Untersuchungen spreche ich mit meinem behandelnden Team im CF-Zentrum ab, ebenso wie Vorsorgeuntersuchungen.

Falls ich etwas über neue Therapie-Optionen oder Behandlungsstrategien lese oder höre, spreche ich das ebenfalls offen an. Ich höre mir dann die Pro- & Contra-Argumente der Profis an. Selbst wenn meine anfängliche Meinung der meiner Behandler widerspricht, lasse ich mich von guten Argumenten überzeugen. Das gilt aber auch andersherum.

PARI-Blog: Würden Sie eine Verschlechterung Ihrer Lungenfunktion akzeptieren, wenn Sie dafür teilweise oder ganz auf die Verneblertherapie verzichten könnten? Wenn ja, wieviel Prozent FEV1-Reduktion wäre für Sie noch in Ordnung?

Dr. Zißler: Hier ein klares Nein. Für mich ist der Verlust jedes einzelnen Prozents ein Verlust an Lebensqualität und Lebenserwartung. Besonders die regelmäßige Durchführung der Inhalation von hypertoner Kochsalzlösung behalte ich bei, das Intervall einer antibiotischen Inhalationstherapie kann bei Bedarf in Abstimmung mit der Ambulanz auch etwas breiter aufgestellt werden, z.B. in der warmen Jahreszeit. Jedoch sollte bei Bedarf die Antibiose in Rücksprache mit den Physios und den Ärzten auch schneller angesetzt werden, um eine Verschlechterung zu verhindern. Die Therapie gehört zu meinem Leben dazu, das hat meine Frau von Anfang an akzeptiert. Auch für unseren Sohn ist das von klein auf Normalität.

Selbst, wenn ich mir die Stunde Verneblertherapie am Tag plus die Vorbereitungszeit für Desinfektion etc. sparen könnte, brächte es nur kurzfristig eine Zeitersparnis. Es wäre mit großem Aufwand verbunden, die dadurch entstehende Verschlechterung meines Zustands wieder aufzuholen. Meine Therapie führe ich für mich, aber auch für meine Familie gewissenhaft durch – für die antibiotische Therapie richte ich mich nach dem Bedarf und halte keine strikten Intervalle ein.

PARI-Blog: Welche Rolle spielen für Sie Apps beim Management Ihrer Erkrankung? Wie wird sich der Alltag eines CF-Patienten Ihrer Meinung nach in fünf bis zehn Jahren geändert haben?

Dr. Zißler: Apps spielen beim Krankheits-Monitoring für mich aktuell schon eine wichtige Rolle. Denn hier habe ich für mich selbst einen Überblick, kann die Daten aber auch mit meinen Ärzten teilen, um eine schnelle Einschätzung ihrerseits zu bekommen. So wie sich das ganze Leben zu einem Teil ins Digitale verschiebt, so wird sich auch die Behandlung von Mukoviszidose in den nächsten Jahren in dieser Hinsicht grundlegend verändern.

Besonders im Hinblick auf Daten von Therapie und Vitalparametern wird die Aufzeichnung mit Apps in Zukunft eine große Rolle spielen. Daraus könnten sich auch Therapieempfehlungen ableiten, die dann beispielsweise vom Arzt freigegeben werden könnten.

PARI-Blog: Haben Sie einen speziellen Rat, an CF-Ärzte oder andere CF-Patienten? Was ist Ihnen noch besonders wichtig zu sagen?

Dr. Zißler: Für die Ärzte ist es meiner Meinung nach wichtig, uns Patienten individuell zu sehen und nicht anhand der Abweichungen vom Lehrbuch. Die Krankheitsgenese ist bei jedem Patienten unterschiedlich – ebenso der Fokus der Behandlung und das individuelle Behandlungsschema.

Hier sollten sich sowohl Ärzte als auch wir als Patienten selbst hinterfragen und über ein gemeinsames Miteinander das Optimum für den Patienten beim geringstmöglichen Zeitaufwand finden. Die Therapie bedeutet auch immer eine psychische Belastung für die Patienten, besonders in der Jugend und im jungen Erwachsenenalter. Hier bedarf es auch einer einfühlsamen Hinleitung seitens der Ärzte auf das optimale Therapiemaß.

Es ist für Patienten nicht hilfreich und setzt sie weiter unter Druck, wenn Konsequenzen angedroht werden. Das kann irgendwann dazu führen, dass die Therapie verweigert wird. Für uns Patienten ist wichtig, ihre Meinung auch den Ärzten gegenüber klar und deutlich zu äußern, um ein Miteinander zu schaffen. Wenn die Ärzte die Meinung der Patienten nicht kennen, können sie auch keine entsprechenden Empfehlungen aussprechen.

Die Kommunikation muss bilateral sein, nicht nur von einer Seite erfolgen. Wenn Patienten mit Therapievorschlägen nicht einverstanden sind oder diese nicht verstehen, sollten sie ihren Behandler darauf ansprechen und ihre Gedanken dazu erklären – der Arzt kann sie nicht lesen!

Man muss auch klar und deutlich seinen Patientenwillen äußern, damit die Belastungsgrenze definiert werden kann. Letzten Endes obliegt jedem selbst seine Gesundheit. Die Ärzte können nur Lotsen sein und den Weg aufzeigen – gehen muss man ihn immer selbst.

Um mit den Worten von Freddie Mercury zu schließen, die mein Lebensmotto sehr gut treffen: „Your life is your own, You’re in charge of yourself, Master of your home, In the end, in the end, You have to face it all alone.”

PARI-Blog: Vielen Dank für das interessante Gespräch!

Hinweis: Bei den im Interview getroffenen Aussagen handelt es sich um individuelle Einschätzungen eines Patienten mit medizinischem Fachwissen. Diese spiegeln nicht zwangsläufig den allgemeinen Stand der Wissenschaft wider. Genauso entspricht die beschriebene Anwendung inhalativer Antibiotika nicht zwangsläufig der Zulassung der inhalativen Antibiotika.


Ein Beitrag der PARI-BLOG Redaktion.


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