Leben mit Mukoviszidose: „Nicht normal, sondern außergewöhnlich und teils positiver“

 

Miriam ist 29 und verheiratet. Sie hat einen sicheren Job. Aktuell sucht sie mit ihrem Mann ein Haus und plant eine Familie. Klingt normal? Miriam findet ihr Leben aber nicht normal, sondern außergewöhnlich. Der Grund dafür ist ihre unheilbare Krankheit Mukoviszidose. Ein Interview.

PARI-Blog: Miriam, Deine „Rahmenbedingungen“ – Job, verheiratet, Familienplanung, Immobiliensuche – klingen nach einem ziemlich „normalen“ Leben. Du sagst aber, Du führst kein normales Leben, sondern ein außergewöhnliches, weil Du an der unheilbaren Krankheit Mukoviszidose leidest. Wie dürfen wir das verstehen?

Miriam: Das stimmt. Ich fühle mich nicht normal, sondern außergewöhnlich. Durch mein Bewusstsein, meine besondere Lebenseinstellung.Diese habe ich, weil ich an Mukoviszidose leide. Durch diese Krankheit bin ich schon oft starker Todesangst begegnet. Diese lässt mich nie ganz los. Egal, wie glücklich und schön ein Moment ist, der Tod steht immer in einer Ecke des Zimmers und ich kann ihn sehen. Ich führe zwar ein normales Leben in dem Sinne, dass ich einen Job und eine Beziehung habe, aber das Gefühl dabei, da bin ich mir ganz sicher, ist bei Gesunden ein anderes als bei mir. Dieses Lebensgefühl, das ich habe, ist nicht normal, sondern außergewöhnlich und ich finde es besser als „normal“.

PARI-Blog: Was genau ist gut an diesem außergewöhnlichen Lebensgefühl?

Miriam: Trotz meiner Mukoviszidose führe ich ein glückliches und zufriedenes Leben. Natürlich denke ich manchmal, dass das mit der Mukoviszidose nicht unbedingt hätte sein müssen. Aber ich glaube, zufriedener als manch gesunder Mensch zu sein. Das liegt, denke ich, daran, dass mir durch meine Erlebnisse und Erkrankung zwei wichtige Dinge sehr bewusst sind. Zum einen weiß ich meine Gesundheit und momentane Leistungsfähigkeit mehr zu schätzen als die meisten Gesunden. Mir ist klar, dass es auch anders sein kann. Gesunde wissen oft nicht, welch wertvolles Gut sie an ihrer Gesundheit haben, und gehen damit unachtsam um. Sie arbeiten sich kaputt. Sie vergessen ihre Grenzen, hören nicht auf ihren Körper, arbeiten solange, bis sie krank sind, obwohl sie gesund sein könnten. Sie machen den gleichen Fehler immer wieder. Das beobachte ich sehr oft in meinem Umfeld. Ich achte auf meinen Körper, bin froh, dass es mir noch so gut geht und möchte diesen Zustand nicht aufs Spiel setzen.

Zum anderen ist der Tod für mich nicht etwas, was theoretisch irgendwann in der Zukunft liegt, sondern er ist greifbar, er könnte schnell eintreten. Dadurch genieße ich alles mehr. Ich schätze jeden Tag. Ich versuche bewusst, die schönen Dinge im Leben zu sehen. Ich gehe mit offenen Augen durchs Leben und freue mich täglich wie ein kleines Kind an kleinen Dingen: über die Schönheit der Natur, über einen kleinen Hund oder einen bunten Regenbogen. Ich atme diese positive Energie regelrecht ein. Andere beachten so etwas gar nicht. Sie laufen oft verbissen und schlecht gelaunt durchs Leben. Sie ärgern sich wegen Kleinigkeiten wie einer roten Ampel. Dafür ist mir meine Lebenszeit zu schade. Ich fokussiere auf das Schöne. Diesen besonderen Blick auf das Leben finde ich wertvoll.

PARI-Blog: Wie kommst Du zu diesem Blick aufs Leben? Was hat die Mukoviszidose damit zu tun?

Miriam: Ohne die Mukoviszidose wäre ich nicht der Mensch, der ich heute bin. Sie hat diesen speziellen Blick aufs Leben geprägt. Ich war 19 Jahre alt, als ich zum ersten Mal Todesangst verspürte. Das war nach dem Abitur. Da hatte ich einen extremen gesundheitlichen Einbruch. Dieser hatte sich über Monate langsam aber sicher eingestellt. Zunächst war die Vorbereitung auf das Abi arbeitsintensiv. Nach bestandenem Abi war ich ständig beim Feiern. Direkt im Anschluss startete ich im Job, wollte mich beweisen und nahm auch an einem teambildenden einwöchigen Fortbildungskurs meines Arbeitsgebers teil, obwohl ich bereits merkte, dass ich nicht fit war. Ich habe die Signale meines Körpers verdrängt. Bei einer Schnitzeljagd mussten mich meine Kollegen abwechselnd tragen, weil ich es alleine nicht mehr schaffte. So fand ich mich schließlich in der Notaufnahme wieder. Ich brauchte Sauerstoff und saß im Rollstuhl, weil ich zu schwach war, selbst zu gehen. Drei Wochen war ich in diesem Zustand. Damals habe ich zum ersten Mal richtig Angst bekommen vor der Krankheit und davor zu sterben. Vor zwei Jahren holte mich die Todesangst erneut ein. Ich wachte nachts vom Husten auf. Ich hustete pures Blut, sehr viel und ausschließlich Blut. In der Notaufnahme sagten sie mir, Teile meiner Lunge wären in einem katastrophalen Zustand. Es seien vergrößerte Blutgefäße zu sehen. Wenn eines dieser Gefäße reiße, könne es für mich vorbei sein und zwar sofort. Für einige Monate lebte ich in der Angst, plötzlich sterben zu können. Diese Situationen haben mein Bewusstsein für das Jetzt geschärft.

PARI-Blog: Wie gehst Du mit Angst um, die Mukoviszidose in Dir auslöst?

Miriam: In beiden Angstsituationen war eine der Reaktionen, die Atemtherapie zu intensivieren. Mit 19 nahm ich Inhalation und Therapie noch ernsthafter in die Hand. Vor zwei Jahren arbeitete ich stärker an meinem Problem der Überblähung der Lunge, und nutze das PEP-System über Wochen hinweg mindestens 30 Minuten am Tag. Ich hatte es sogar im Mund, während ich den Haushalt machte. Inhalation und Atemtherapie mache ich gerne, weil ich weiß, dass es mir guttut. Meine Todesängste vor zwei Jahren konnte mir meine damals neue Fachärztin nehmen. Sie sah sich meinen Zustand umfassender an und relativierte die Aussagen der Notaufnahme. Die Angst, die mich im Alter von 19 Jahren überfiel, ließ mich allerdings viele Jahre nicht los. Das belastete mich. Vor fünf Jahren erklärte mir dann eine Psychologin, dass der Körper bei Angst das Stresshormon Adrenalin produziere. Ich könne dieses durch Sport abbauen und gleichzeitig die Produktion von Glückshormonen steigern, um damit die Angst einzudämmen und das Wohlbefinden zu fördern. Jedes Mal, wenn die Angst in mir aufstieg, machte ich Sport. Laune und Lunge haben es mir gedankt. Mittlerweile mache ich mindestens drei Mal die Woche Sport. Meine Lungenfunktion liegt heute knapp unter den Normwerten.

PARI-Blog: Inhalation und Atemtherapie zu intensivieren war ein Teil Deiner Angstbewältigung. Warum?

Miriam: Das stimmt. Angst hat etwas Lähmendes. Man wird passiv und ist nicht mehr Herr seines Lebens. Daher versuche ich immer aktiv zu werden, wenn ich Angst habe. Inhalation und Atemtherapie zu machen, ist etwas Aktives. Nicht die Mukoviszidose kontrolliert mich durch meinen Körper, sondern ich wirke auf die Mukoviszidose ein. Damit drehe ich den Spieß um. Ich leide nicht an der Mukoviszidose, sondern ich trage die Mukoviszidose. Daher intensiviere ich in Frustrations- und Angstphasen Inhalations- und Atemtherapie. Außerdem ist mir Bewegung und Sport wichtig. Indem ich Atemtherapie und Sport mache, habe ich die Hoffnung, dass ich selbst zur Besserung meiner Situation beitragen kann. Und Hoffnung ist meistens das Gefühl, das noch stärker ist als die Angst.

PARI-Blog: Miriam, vielen Dank für das offene Gespräch.

Miriam: Bitte.


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Hinweis: Bei den im Interview getroffenen Aussagen handelt es sich um die individuelle Sichtweise der Interviewten. Diese spiegeln nicht zwangsläufig die PARI Sichtweise oder den allgemeinen Stand der Wissenschaft wider.


Ein Beitrag der PARI-BLOG Redaktion.


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