Heimspirometrie bei Mukoviszidose: Ein Gespräch mit Lungenfacharzt Prof. Dr. Rainald Fischer

Heimspirometrie ergänzt die Lungenfunktionsmessung in der Praxis. Sie ermöglicht eine engmaschige Verlaufsbeobachtung bei Atemwegserkrankungen, wie zum Beispiel Mukoviszidose (CF). Über den Nutzen und die Herausforderungen der Heimspirometrie und des Themas eHealth bei Mukoviszidose-Patienten haben wir mit Lungenfacharzt Prof. Dr. Rainald Fischer gesprochen.

PARI-Blog: Herr Prof. Dr. Fischer, welchen Stellenwert hat die Spirometrie bei Mukoviszidose?

Prof. Dr. Rainald Fischer: Die Spirometrie (Lungenfunktionstest) spielt als Verlaufsparameter bei Mukoviszidose eine entscheidende Rolle und ist fester Bestandteil der Kontrolltermine. Der FEV1-Wert ist im Rahmen der Spirometrie der wichtigste Wert. Anhand des FEV1-Wertes beurteilen wir den Verlauf der Krankheit und auftretende Exazerbationen. Neben dem FEV1 sind VC (Vitalkapazität) und außerdem der RV-Wert (Residualvolumen), mit dem man die Überblähung der Lunge bewerten kann, wichtig. Basierend auf den Werten werden Therapieempfehlungen und Anpassungen ausgesprochen. Die Wichtigkeit der Spirometrie liegt auch darin begründet, dass die Ergebnisse am schnellsten und einfachsten verfügbar sind im Vergleich zu anderen diagnostischen Verfahren, wie zum Beispiel der Kernspintomographie (MRT) der Lunge.

PARI-Blog: Inzwischen stehen portable, elektronische Spirometer für die häusliche Anwendung zur Verfügung. Welchen Stellenwert hat aus Ihrer Sicht die Heimspirometrie bei Mukoviszidose?

Prof. Dr. Rainald Fischer: In Zukunft eine zunehmend wichtigere, denke ich. Dem Patienten wird mit der Heimspirometrie ermöglicht zwischen den Arztbesuchen, die in Regel nur alle drei Monate stattfinden, die Lungenfunktion häufiger selbst zu kontrollieren und dadurch schneller eine Veränderung im Trend festzustellen. Durch die Vielzahl an Messungen zuhause lassen sich Trends generell besser erkennen als durch die punktuellen Messungen beim Arzt. Zeichnet sich eine Verschlechterung im Trend ab, können im Rahmen eines telefonischen Arzt-Patientengespräches kurzfristig therapeutische Maßnahmen eingeleitet werden, die der Patienten sofort zuhause umsetzen kann, zum Beispiel eine Antibiose oral, inhalativ oder per Heim-I.V. (intravenös).

PARI-Blog: Welche Patienten können Ihrer Meinung nach am meisten von der Heimspirometrie profitieren?

Prof. Dr. Rainald Fischer: Von der Heimspirometrie können meiner Meinung nach hauptsächlich zwei Patientengruppen am meisten profitieren. Das sind zum einen Patienten, die bereits eine schlechte Lungenfunktion aufweisen und kritisch krank sind. Verschlechtert sich bei diesen Patienten die Lungenfunktion, kann das drastische Folgen haben. Das zeitnahe Einleiten von therapeutischen Maßnahmen ist in solchen Fällen sehr wichtig. Erkennen Patienten durch die Heimspirometrie eine Verschlechterung, ermöglicht das ein schnelleres Handeln, wertvolle Zeit wird gespart. Allerdings muss man sagen, dass Mukoviszidose-Patienten auch ohne Heimspirometrie eine Verschlechterung wahrnehmen und es selbst spüren, wenn sich ein Infekt oder andere Probleme in der Lunge ausbreiten. Der FEV1-Wert objektiviert das individuelle Empfinden und ermöglicht eine Einordnung über das Ausmaß der Exazerbation. Zum anderen kann die Anwendung der Heimspirometrie bei denjenigen Patienten sinnvoll sein, die eine neue Therapiemaßnahme starten – zum Beispiel ein zusätzliches Medikament zum ersten Mal einnehmen oder bei einer Studie mit innovativen Medikamenten mitmachen. Dadurch kann verfolgt und dokumentiert werden, ob und wie schnell der gewünschte Effekt einsetzt.

PARI-Blog: Nutzen Patienten Heimspirometer konsequent? Steigert die Heimspirometrie möglicherweise sogar die Therapieadhärenz, also die Bereitschaft Therapiemaßnahmen regelmäßig und richtig durchzuführen?

Prof. Dr. Rainald Fischer: Nein, man kann nicht davon ausgehen, dass Heimspirometrie die Therapietreue von Patienten verbessert. Hier konnte ich bisher keinen Zusammenhang feststellen. Grundsätzlich muss man sagen, dass Mukoviszidose eine chronisch-progrediente Erkrankung ist. Das bedeutet, dass sich der Gesundheitszustand im Laufe der Zeit immer mehr verschlechtert. Die Patienten spüren diese Verschlechterung. Anhand von Lungenfunktionsmessungen wird ihnen diese Verschlechterung auch noch schwarz-auf-weiß vor Augen geführt. Das wirkt in den meisten Fällen demotivierend. Daher verweigern viele Patienten die Heimspirometrie komplett oder führen diese nur ab und zu durch. Es gibt aber auch Patienten, die technik-affin sind, sich selbst gerne vermessen, Aktivitätstracker tragen und dann eben auch gerne und regelmäßig eine Heimspirometrie durchführen.

PARI-Blog: Wie könnte die Akzeptanz der Heimspirometrie bei Patienten weiter gesteigert werden?

Prof. Dr. Rainald Fischer: Die Heimspirometrie muss mit möglichst wenig Zeit und Aufwand durchzuführen sein. Mukoviszidose-Patienten haben bereits täglich ein Therapieprogramm zu absolvieren, das teils mehrere Stunden in Anspruch nimmt. Jede zusätzliche Maßnahme im Rahmen der Therapie muss daher tatsächlichen Nutzen bringen. Die Heimspirometrie wird als zusätzliche Maßnahme empfunden, die Zeit kostet. Daher gilt der Grundsatz: Je höher der Automatisierungsgrad und je weniger Zusatzaufwand der Patient mit der Heimspirometrie hat, umso größer ist die Akzeptanz und umso häufiger wird er diese auch nutzen. Aus diesem Grund wäre es ideal, Lungenfunktionswerte direkt während der Inhalation zu ermitteln, indem eine Messmöglichkeit zum Beispiel in den e-Flow rapid integriert wird. Der Großteil der Mukoviszidose-Patienten muss täglich mit dem e-Flow rapid inhalieren.

PARI-Blog: Wie könnte die Heimspirometrie ideal in den Praxisalltag eingebunden werden?

Prof. Dr. Rainald Fischer: Optimal wäre eine Art Portal, auf das Arzt und Patient zugreifen können. Auf diesem Portal sollte der Trend der Lungenfunktionswerte – vor allem der Verlauf des FEV1 – möglichst klar und grafisch dargestellt werden. Wie gesagt basieren Entscheidungen hinsichtlich der Therapie hauptsächlich auf dem Verlauf der Lungenfunktion. Für eine schnelle Beurteilung des Verlaufs eignen sich Verlaufskurven, Tabellen sind unpraktisch. Hilfreich könnte es auch sein, in der Kurve bestimmte Ereignisse zu visualisieren, wie zum Beispiel das Ansetzen eines neuen Medikamentes, Änderungen der Lebensgewohnheiten – wie mehr Sport, Start des Berufslebens, Jobveränderungen, ein Reha-Aufenthalt oder ähnliches. Positive und negative Einflüsse solcher Ereignisse ließen sich dadurch möglicherweise ausmachen. Allerdings müssen diese Daten eingepflegt werden. Da stellt sich immer die Frage, wer das machen soll. Realistischer Weise müssen Patienten diese Daten pflegen.

PARI-Blog: Welche Vorteile sehen Sie in der Heimspirometrie und auch im Bereich eHealth für Mukoviszidose-Patienten?

Prof. Dr. Rainald Fischer: Der Vorteil ist, dass dem Arzt mehr Daten zur Verfügung stehen, auf Basis derer er therapeutische Entscheidungen treffen kann. Der Patienten profitiert davon, weil Therapien nicht nur schneller, sondern eventuell auch gezielter eingeleitet werden können. Ein Mehr an Daten geht aber auch immer mit einem höheren Zeitaufwand für den Arzt einher. Umso wichtiger ist es, dass die im eHealth-Bereich erfassten Daten gut visuell aufbereitet sind, um diese schnell erfassen und bewerten zu können. Generell ist eHealth ein Thema, das durch die allgemeinen technologischen Entwicklungen im Trend liegt, und auch jetzt erst einfach umzusetzen und in den Alltag zu integrieren ist. Fast jeder kennt Health-Apps von Smartwatches, Trackern oder Smartphones. Daher sind Patienten diesem Thema gegenüber aufgeschlossener als noch vor 15 Jahren. Eine Studie zeigte aber auch damals schon, dass es zwischen Verweigerer und Enthusiasten alle Graustufen gibt. Das wird heute nicht anders sein.

PARI-Blog: Prof. Dr. Rainald Fischer, vielen Dank für das Gespräch.


Über Prof. Dr. Rainald Fischer

Prof. Dr. Rainald Fischer ist niedergelassener Facharzt für Innere Medizin, Teilgebiet Lungen- und Bronchialheilkunde, Fachkunde Notfallmedizin, Schlafmedizin und Allergologie in München-Pasing. Davor war er als Internist und Lungenfacharzt, zuletzt Oberarzt an der medizinischen Universitätsklinik Innenstadt München tätig. Prof. Dr. Rainald Fischer ist Gründungsmitglied und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Berg- und Expeditionsmedizin, außerdem Mitglied in der ärztlichen Arbeitsgemeinschaft Mukoviszidose.


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Hinweis: Bei den im Interview getroffenen Aussagen handelt es sich um die individuelle Sichtweise des Interviewten. Diese spiegeln nicht zwangsläufig die PARI Sichtweise oder den allgemeinen Stand der Wissenschaft wider.


Ein Beitrag der PARI-BLOG Redaktion.


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