Müssen alle Mamas inhalieren? Wenn Kinder Fragen stellen, die chronisch kranke Eltern ins Herz treffen. Teil 1

Wann wird mein Kind realisieren, dass ich unheilbar krank bin? Welchen Einfluss wird diese Erkenntnis auf sein Leben haben? Fragen, die sich wahrscheinlich jede chronisch kranke Mutter und jeder chronisch kranke Vater schon einmal gestellt hat. Eine Mutter mit Mukoviszidose teilt hier ihre Gedanken und Erfahrungen zu diesem sehr persönlichen Thema mit:

 

Mein Kind war nicht einmal drei Jahre alt, als es mir die Frage stellte: „Mama? Müssen alle Mamas inhalieren?“ Die Frage traf mich mit einem Stich ins Herz, obwohl mir klar war, dass mein Kind eine solche Frage einmal stellen würde. Ich hatte die Frage jedoch nicht so früh erwartet. Mein Kind hatte also bereits im Kleinkindalter realisiert, dass bei seiner Mutter etwas nicht stimmte. Wie sollte ich auf diese Frage adäquat reagieren – ehrlich, verständlich, aber ohne mein Kind zu verängstigen?

Ein Kind bekommen trotz chronischer Erkrankung? Ja oder nein?

Bereits vor der Familienplanung hatte ich darüber nachgedacht, dass mein künftiges Kind wohl anders aufwachsen würde als Kinder von zwei gesunden Eltern. Mein Kind würde eine Mutter haben, die chronisch und unheilbar krank ist. Mein Kind würde eine Mutter haben, die ihr Leben lang Medikamente nehmen, täglich inhalieren und sich regelmäßig aus gesundheitlichen Tiefs herauskämpfen muss. Diese Besonderheit würde ich meinem Kind erklären müssen. Irgendwann würde mein Kind realisieren, dass seine Mutter vielleicht früher sterben wird als andere, gesunde Mütter. Sollte ich unter diesen Umständen ein Kind bekommen? Konnte ich das einem Kind antun?

Ich beantwortete mir diese Frage mit einer Gegenfrage: Ist ein Leben mit einer chronisch kranken Mutter nicht lebenswert? Ich fand und finde ein solches Leben ist sehr wohl lebenswert und entschied mich, einem Kind das Leben schenken zu wollen. Wenn es klappt. Und es hat geklappt.

Wie erklärt man seinem Kind, dass man unheilbar krank ist?

Dennoch begleitet mich die Frage tagein tagaus, inwiefern sich meine Erkrankung negativ auf das Leben meines Kindes auswirken könnte. Mit der Frage meines Kindes, ob alle Mamas inhalieren müssten, stand das Thema nun auf dem Plan. Tabletten zu nehmen, fällt kaum auf. Ab und zu einmal eine intravenöse Antibiotikatherapie zuhause durchzuziehen, ist temporär begrenzt und gerät mit der Zeit in Vergessenheit. Aber die tägliche Inhalation, die morgens und abends eine Stunde Zeit frisst, beeinflusst den Tagesablauf der ganzen Familie. Sie ist das offensichtlichste Anzeichen dafür, dass bei mir etwas anders ist. Kein Wunder also, dass mein Kind dieses offensichtliche Anzeichen ansprach.

Mein erster Erklärungsversuch

Ich beantwortete meinem Kind die Frage, ob alle Mamas inhalieren müssten, so ehrlich und genau, wie ich das für ein Kleinkind angebracht empfand. Ich sagte so ungefähr Folgendes: „Nein, andere Mamas oder Papas müssen nicht inhalieren. Ich muss inhalieren, weil ich von Geburt an eine Krankheit an der Lunge habe. In meiner Lunge funktioniert etwas nicht richtig. Bei allen Menschen produziert die Lunge ein bisschen Schleim. Das ist schlau. Denn mit dem Schleim kann kleiner Müll, der in die Lunge geraten ist, einfacher aus der Lunge herausgebracht werden. Dafür gibt es in der Lunge zusätzlich eine Art Förderband für Schleim. Das sind die Flimmerhärchen. Die Flimmerhärchen lassen den Schleim und den Müll, der sich darin befindet, wie auf einer Rolltreppe zum Mund fahren. Das merkt man gar nicht. Und dann schluckt man den Schleim und im Magen geht der Schleim zusammen mit dem Müll kaputt. Meine Lunge ist aber ein bisschen doof und stellt zu viel Schleim her und der Schleim ist total pappig. Und die Rolltreppe, also die Flimmerhärchen, in meiner Lunge sind leider auch kaputt. Deswegen muss ich jeden Tag inhalieren und den Schleim selbst hochatmen, ausspucken oder runterschlucken. Wenn ich das jeden Tag mache, geht es mir gut. Inhalieren und Medikamente nehmen muss ich schon, seitdem ich ein Baby bin und werde es mein ganzes Leben lang tun müssen. Aber keine Sorge, du musst das nicht machen. Deine Lunge ist schlau und gesund. Du musst nur manchmal inhalieren, wenn du im Herbst oder Winter Husten hast.“ Mit dieser Antwort war mein Kind vorerst zufrieden. Weitere Gespräche würden folgen.

„Wenn du nicht inhalierst, stirbst du. Deswegen musst du das machen, Mama, gell?!“

Das Thema Inhalation und Krankheit beschäftigt mein Kind mal gar nicht, mal weniger und mal mehr. Manchmal kommt aus dem Blauen heraus eine Frage oder ein Satz, der mich innerlich erschüttert und das schlechte Gewissen in mir weckt. So auch, als mein Kind im Alter von fünf oder sechs Jahren zu mir sagte: „Mama, du hast ja eine Krankheit. Wenn du nicht inhalierst, stirbst du. Deswegen musst du das machen, Mama, gell?! Aber du machst das ja immer!“ Mein Kind stellte dies völlig trocken und ohne jegliche emotionale Regung fest. Mein Mann und ich waren verblüfft. Schließlich hatten wir nie in irgendeiner Weise erwähnt (zumindest nicht bewusst), dass meine Krankheit tödlich sein kann und unter anderem die Inhalation der Erhaltung meines Lebens dient. Da mein Kind seine Feststellung so abgeklärt äußerte, konnte auch ich ruhig und nüchtern antworten, wovon ich übrigens überrascht war. Beim Thema Tod – noch dazu, wenn es die Beziehung zwischen meinem Kind und mir betrifft – bin ich normalerweise sehr nah am Wasser gebaut. Ich sagte: „Ja, das stimmt. Aber du weißt ja, ich inhaliere brav jeden Tag, auch wenn es mich manchmal nervt. Du kannst dich darauf verlassen, dass ich das trotzdem immer mache und auf mich aufpasse.“ Damit war das Thema zum Glück abgehakt – zumindest an jenem Tag.

Lesen Sie in Teil 2, wie sich die Einstellung der Mutter auf das Kind auswirkt und was passiert, wenn dem Kind die CF-Erkrankung der Mutter zu viel wird.


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Hinweis: Bei den im Erfahrungsbericht getroffenen Aussagen handelt es sich um die individuelle Sichtweise der berichtenden Person. Diese spiegeln nicht zwangsläufig die PARI Sichtweise oder den allgemeinen Stand der Wissenschaft wider.


Ein Beitrag der PARI-BLOG Redaktion.


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