Nik Linder: Atemlust – so macht Atmen Spaß

Für Apnoetaucher wie Nik Linder spielt das Atmen eine entscheidende Rolle. Denn nur wenn sie ihre Atmung unter Kontrolle haben, können sie ohne Pressluftflasche tief hinabtauchen. Nik Linder berichtet, wie Atemtechniken Lust auf Atmen machen können.

Ohne die richtige Atem- und Entspannungstechnik kein Apnoetauchen

Ich kann mich sehr gut daran erinnern, dass ich mit Atem- und Entspannungstechniken nicht viel am Hut hatte, als ich mit dem Apnoetauchen begann. Wille, Ehrgeiz und Disziplin waren im höchsten Maß vorhanden – nur es nützte mir nichts.

Beim Apnoetauchen geht es darum, eine Leistung entspannt und mit einem niedrigen Puls zu erreichen. Schnell merkte ich, dass vieles, was in anderen Sportarten wichtig ist, in meinem Sport keinen Erfolg bringen würde. Bis dahin war ich weder der Meinung, dass ich ein ausgeglichener Mensch sein müsste, noch war ich auf der Suche nach Erleuchtung. Im Grunde wollte ich einfach weiter, tiefer und länger tauchen und mit meiner bisherigen Strategie kam ich nicht mehr weiter.

Welche Technik ist die richtige?

Ich musste mich also mit Entspannungstechniken befassen und tat das auch. Dabei merkte ich schnell, dass nicht jede dieser Techniken auch für mich passte. Zunächst verirrte ich mich in einen Yoga-Kurs. Ich wusste, dass viele Apnoetaucher Yoga praktizierten. Schnell merkte ich, dass ich mich zunächst 90 Minuten anstrengen musste, um am Ende erschöpft und entkräftet auf der Yogamatte zusammen zu brechen.

„Shavasana“ übersetzt „die Totenhaltung“ – jetzt erst wusste ich, woher der Name wohl rührte. Ich aber wollte möglichst schnell entspannen und habe in der Folge viele weitere Techniken ausprobiert: Progressive Muskelentspannung, Achtsamkeitsmeditation, Autogenes Training und natürlich auch Pranayama, den Atemteil des Yogas.

Ich fand heraus, dass man auch Atemübungen machen konnte, ohne vorher die Asanas machen zu müssen. Asanas sind Yoga-Übungen, die einfach aussehen, einem aber in kürzester Zeit die eigenen körperlichen Unzulänglichkeiten aufzeigten (mir zumindest und das gefiel mir nicht). Ich blieb also erstmal beim Pranayama hängen und verzichtete auf die Asanas.

Ich merkte schnell, dass es bei den Atemübungen keinerlei fremdeln wie in den anderen Entspannungstechniken gab. Atmen – das konnte und kannte ich ja schon. In der Folge bewusst zu atmen, war dann nur ein sehr kleiner Schritt. Die Fortschritte ließen nicht lange auf sich warten.

Ich begann die Atmung von nun an gezielter einzusetzen. Zu Beginn vor allem für das Apnoetauchen, um einerseits mehr Lungenpotential zu nutzen und die Atemmuskulatur zu trainieren – andererseits, um den Puls zu senken und dadurch weniger Energie und Sauerstoff zu verbrauchen. Da man beim Apnoetauchen nur mit einem Atemzug unterwegs ist, geht es darum, möglichst viel einzuatmen und sparsam mit der Luft und dem darin enthaltenen Sauerstoff umzugehen.

In einem Interview der Zeitschrift „Unterwasser“ antwortete ich in meinen früheren Jahren als Athlet auf die Frage, was denn die Kernkompetenz eines Apnoetauchers sei: „Auf den Punkt entspannen zu können“. Doch ich merkte schnell, dass mir die Entspannung auch im Alltag guttat.

Atmen, um zu entspannen

Die Entspannung über die Atmung herbeizuführen, ist nicht schwer. Am einfachsten ist es, die Hand auf den Bauch zu legen und einige Atemzüge gegen den leichten Druck der Hand zu atmen. Der Brustkorb sollte sich dabei nicht bewegen. Diese Bauch- oder Zwerchfellatmung senkt den Puls und vertieft die Atmung. Wer ruhig in den Bauch atmet schafft einen Gegensatz zu einer flachen und schnellen Atmung. Eine schnelle Atmung wird von unserem Nervensystem als Stress interpretiert, was Nervosität und Unruhe zur Folge hat.

Bewusst atmen – bewusst leben

Im Schnitt atmen wir 12- bis 18-mal pro Minute. Die wenigsten dieser Atemzüge sind bewusst. Die Atmung läuft nebenher. Machen wir Sport, atmen wir mehr. Schlafen wir, atmen wir ruhiger. Wir haben aber auch die Möglichkeit, eine Atmung zu simulieren. In dem wir in den Bauch atmen, kopieren wir die Atmung, die wir im Schlaf machen und überzeugen unser Nervensystem, dass wir entspannt sind.

Meistens muss man überhaupt keine Atemübung machen, um zu entspannen. Es genügt schon die eigene Atmung wahrzunehmen. Zählt man die eigenen Atemzüge, führt das oft dazu, dass sich dadurch die Atmung etwas verlangsamt und beruhigt. Probieren Sie es einmal aus: Atmen Sie eine Minute und zählen Sie dabei Ihre Atemzüge. Oft entschleunigt sich dadurch schon die Atmung.

Entspannter Körper – entspannter Geist

Die Atemübungen wirken noch auf einer anderen Ebene. Konzentriere ich mich auf die Atmung, ist kein Platz für automatisches Denken und Grübeleien. Ich bin im Hier und Jetzt bei mir und meiner Atmung. Zu Beginn meiner Laufbahn muss ich ehrlich sagen, habe ich nicht gedacht, dass ein paar Minuten Ruhe in meinem Kopf einen so großen Unterschied machen könnten. Aber in der Folge war ich ausgeglichener, konnte besser schlafen, war nicht mehr so impulsiv. Ich wurde ein ganz netter Typ, mit dem man auskommen konnte.

Man kann sagen, durch die Atemübungen bin ich mir selbst ein guter Freund geworden. Wenn ich mich zum bewussten Atmen hingesetzt hatte, überprüfte ich zunächst meinen Nacken und meinen Kiefer. Ich merkte, dass sich Anspannung nicht nur in einer schnelleren Atemfrequenz, sondern auch in Spannungen in diesen Bereichen zeigte.

Ich entspannte zunächst den Nacken und lockerte die Schultern. Außerdem stellte ich sicher, dass meine Zähne nicht aufeinanderbissen und mein Kiefer entspannt war. Die Augen schloss ich, um nicht abgelenkt zu werden. Dann atmete ich ein und doppelt so lange aus. Die langsame Ausatmung senkt den Puls und den Blutdruck, eine tiefere Entspannung ist die Folge.

Stress erkennen und auflösen

Das Problem beim Stress ist, dass wir ihn häufig nicht bemerken. Erst am Abend, sobald der Fernseher aus, das Handy auf der Seite liegt und das Licht gelöscht wird, erkennen wir vielleicht, dass wir den ganzen Tag auf 100 gelaufen sind und unser Kopfkino uns nicht in den Schlaf finden lässt.

Stress zeigt sich auch in einem veränderten Atemmuster. Wer gestresst ist, atmet schnell und flach. Mache ich mir die Atmung aber öfters bewusst, indem ich meine Atmung beobachte oder sogar eine Atemübung mache, lerne ich aufmerksamer bei mir und meiner Atmung zu sein. So registriere ich schneller, wenn sich mein Atemmuster verändert.

Übungen, um die Atemwege zu pflegen

Da es beim Apnoetauchen auch darum geht, in die Tiefe zu tauchen, spielt auch der Druck auf die luftgefüllten Hohlräume eine wichtige Rolle. So gewöhnte ich mir an, regelmäßig Atemübungen mit dem PARI SINUS2 zu kombinieren und so dafür zu sorgen, dass der Druckausgleich erleichtert wird. Insbesondere die Nasenatmung sorgt dafür, dass die eingehende Luft gefiltert, temperiert und befeuchtet wird und so das Atmen mehr Spaß macht.

Mit dem Apnoetauchen begann vor über 20 Jahren auch meine Atemreise. Ich war begeistert, was für eine einfache Möglichkeit für mehr Wohlbefinden uns mit der Atmung in die Wiege gelegt wurde. Obwohl ich beim Apnoetauchen sehr oft die Atempause genieße, verbringe ich viel Zeit damit herauszufinden, welche Atemübungen es noch so gibt und wofür man sie einsetzen könnte. In meinen zahlreichen Atemkursen bin ich immer wieder erstaunt, wie viele Leute so gut wie keinen Zugang zu ihrer Atmung haben – und wie schnell sie von Atemübungen wie dem Gorilla für mehr Selbstbewusstsein oder dem Löwen für mehr Spaß und Lachen profitieren können.

Die Atemtechniken halfen mir ein erfolgreicher Athlet im Apnoetauchen zu werden. Ich habe Rekorde gebrochen und war erfolgreich bei Wettkämpfen. Die Zeiten als Athlet sind mittlerweile vorüber, die Atmung aber ist mir geblieben und mit ihr eine einfache Möglichkeit bewusster zu leben.

Versuchen Sie es doch auch einmal mit dem bewussten Atmen!


Über Nik Linder

Nik Linder hat mehrere Weltrekorde im Streckentauchen unter Eis und mehrere nationale Apnoe-Rekorde gebrochen. Als erster Mensch hat der begeisterte Seatrekker den Bodensee schwimmend und ohne Support umrundet. Nik ist als Atem- und Entspannungstrainer tätig und hat mit „Relaqua“ eine Entspannungsmethode erfunden, die ihre Wurzeln im Apnoetauchen, dem Atemyoga und der Achtsamkeit hat. Als Autor, Speaker und Apnoetrainer ist er vor allem im deutschsprachigen Raum aktiv, seine Reisen führen ihn aber in die ganze Welt.



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Hinweis: Bei den im Erfahrungsbericht getroffenen Aussagen handelt es sich um die individuelle Sichtweise der berichtenden Person. Diese spiegeln nicht zwangsläufig die PARI Sichtweise oder den allgemeinen Stand der Wissenschaft wider.


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Ein Beitrag der PARI-BLOG Redaktion.


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