Verheiratet mit einem PCD-ler – ein gnadenlos ehrliches Interview

Chronische Erkrankung und Partnerschaft – wie geht das zusammen? Wir haben für den Blog mit Erkrankten und deren Partner gesprochen. Im heutigen Teil der Serie berichtet Miriam Weiboldt. Sie ist seit über 25 Jahren mit ihrem Mann zusammen, der an Primärer Ciliärer Dyskinesie (PCD) leidet.

PARI-Blog: Frau Weiboldt, wie haben Sie von der chronischen Erkrankung Ihres Mannes erfahren?

Miriam Weiboldt: Ich war gerade mal 17 Jahre, als ich Sven kennenlernte. Er sah sportlich aus und hatte einen durchtrainierten Körper. Aber ich merkte schnell, dass er Probleme mit den Atemwegen hatte. Beispielsweise war er, wenn er nach der Arbeit mit dem Rad zu mir kam, oft extrem außer Atem und erschöpft. Zudem hatte er häufiger und in höherem Ausmaß mit Infekten zu kämpfen als andere Personen. Er hat schon immer viel gehustet, hatte Fieberschübe, war außer Gefecht gesetzt und musste sich Operationen an der Nase unterziehen. Damals wusste Sven zwar noch nicht, dass er an PCD erkrankt ist, aber die gesundheitlichen Einschränkungen waren offensichtlich. Ich dachte mir damals aber nicht so viel dabei, weil ich eben jung war. Wenn man jung ist, macht man sich nicht so viele Gedanken.

PARI-Blog: Wann haben Sie angefangen, sich Gedanken über die Gesundheit Ihres Mannes zu machen?

Miriam Weiboldt: Je stärker sich der Gesundheitszustand meines Mannes verschlechterte, umso mehr Gedanken machte ich mir natürlich. Am schlimmsten war die Zeit, in der es um die konkrete Diagnosestellung ging. Er hatte viele Untersuchungen. Der Lungenfunktionstest fiel sehr schlecht aus. In Sputum und Abstrich wurde MRSA nachgewiesen. Schließlich wurde PCD diagnostiziert. Es war eine schlimme Zeit. Wir haben zusammen geweint aus Angst, wie es nun gesundheitlich mit meinem Mann weitergehen würde. Als junge Frau konnte ich mit den Infekten lockerer umgehen, jetzt, wo ich älter bin, und seit der PCD-Diagnose fällt mir das zunehmend schwerer. Wenn die Lunge mal wieder im Argen liegt, mache ich mir Gedanken. Wie lange wird das noch gut gehen? Wie wird das im Alter? Wird er eine Lungentransplantation brauchen? Ich mache mir Sorgen.

PARI-Blog: Ist die Erkrankung Ihres Mannes eine Belastung für Sie und die Beziehung?

Miriam Weiboldt: Als wir jung waren, stellte die Erkrankung noch keine Belastung dar. Vor circa zehn Jahren hat es angefangen, eine Belastung zu werden. Lungenfunktion und allgemeiner Gesundheitszustand meines Mannes verschlechterten sich, wodurch gewisse gemeinsame Unternehmungen nicht mehr möglich waren – zum Beispiel Konzertbesuche. Diese wurden für Sven zu anstrengend. Außerdem bergen große Menschenansammlungen immer eine Infektgefahr für ihn, die er unbedingt vermeiden muss. Die Einschränkungen, die seine beeinträchtige Lungenfunktion mit sich brachte, wurden immer mehr. Fuhren wir früher gemeinsam viel Fahrrad, konnten wir das plötzlich nicht mehr tun. Spaziergänge sind heute nur noch im Flachen möglich, da er Anstiege bei Wanderungen in den Bergen nicht mehr schafft. Unserer Leidenschaft fürs Campen haben wir aufgegeben, da sich die hygienischen Bedingungen, die Temperaturen in Zelt und Camper und der mangelnde Komfort negativ auf Svens Gesundheit auswirken. Wir vermeiden Lagerfeuer oder Feierlichkeiten, an denen es offenes Feuer gibt, wie Osterfeuer, da die Rauchentwicklung Svens Lunge zu stark reizt. Bevor wir Familie oder Feste besuchen, klären wir ab, ob alle gesund sind. Wenn jemand Husten oder Schnupfen hat, bleiben wir fern, damit Sven sich nicht ansteckt.

PARI-Blog: Das hört sich alles ziemlich anstrengend an. Warum tun Sie sich eine Beziehung mit einem chronisch kranken Menschen an?

Miriam Weiboldt: (lacht) Na, weil ich meinen Sveni liebe! Er ist mein Sveni eben. Ich würde ihn niemals eintauschen! Ich würde ihn immer wieder heiraten. Wir haben uns gefunden und es passt alles. Wir haben den gleichen Humor, lachen viel, wir denken gleich. In unserem Freundeskreis sind wir dasjenige Paar, das am längsten zusammen ist. Viele in unserem Freundeskreis sind bereits geschieden. Wir hingegen sind glücklich miteinander.

PARI-Blog: Warum führen Sie eine glückliche Beziehung trotz der Erkrankung Ihres Partners? Was denken Sie, ist der Grund dafür?

Miriam Weiboldt: Ich glaube, wir genießen den Moment viel mehr als andere Paare. Wenn man krank ist oder mit einem kranken Menschen lebt, lebt man viele Momente intensiver und weiß es zu schätzen, wenn man eine gute Zeit miteinander verbringen kann. Sveni ist mein erster und einziger Freund gewesen. Wir müssen manchmal gar nicht sprechen, weil wir ganz genau wissen, was abläuft. Wir sind uns sehr vertraut, weil wir gemeinsam durch dick und dünn gegangen sind. Um uns als Paar ins Straucheln zu bringen, muss schon viel passieren. Und da sind wir vielen gesunden Menschen weit voraus, denke ich. Wir genießen mehr, wir sind uns vertrauter und das ist schon ziemlich cool. Deswegen sage ich auch ohne zu zögern, ich würde Sven immer wieder heiraten.

PARI-Blog: Dennoch gibt es die chronische Erkrankung und entsprechende Einschränkungen. Wie gehen Sie damit im Alltag um?

Miriam Weiboldt: Man arrangiert sich, man gewöhnt sich daran. Man muss flexibel sein und eben umdenken, um Lösungen zu finden und sich kontinuierlich auf neue Situationen einzustellen. Jetzt fährt Sven eben mit dem E-Bike und ich mit einem herkömmlichen Rad. So können wir unser gemeinsames Hobby auch wieder gemeinsam ausführen. Statt in den Bergen zu wandern, machen wir jetzt eben Geocaching und entdecken damit Gebiete und Natur neu. Auf manches müssen wir natürlich verzichten, weil es keine Ausweichlösung gibt. Wenn ich beispielsweise merke, dass ich eine Erkältung ausbrüte, verzichten wir darauf, uns zu küssen und schlafen in getrennten Betten, bis ich wieder gesund bin. Ich möchte Sven nicht anstecken. Schließlich möchte ich, dass es ihm gut geht. Wenn ich richtig krank bin, dann trägt Sven zur Sicherheit einen Mundschutz.

PARI-Blog: Ist die chronische Erkrankung häufig Grund für Konflikte? Streiten Sie sich häufiger als Paare, bei denen beide Partner gesund sind?

Miriam Weiboldt: Wir streiten uns nicht häufiger als andere Paare, denke ich. In einen Konflikt wegen der Krankheit geraten wir nur, wenn ich der Meinung bin, Sven sollte mehr für seine Gesundheit tun und ihm das sage. Aktuelles Beispiel: Ich versuche ihm nahezulegen, dass er sich gesünder ernähren und auf eine gute Vitaminzufuhr achten solle. Das findet Sven nicht so gut. Manchmal gibt es Zeiten, da lässt er die Inhalation etwas schleifen. Da ermahne ich ihn zur Therapie, worauf er empfindlich reagiert. Ich versuche ihn zu unterstützen, weil ich möchte, dass es ihm möglichst lange möglichst gut geht. Schließlich möchte ich die Rente mit ihm gemeinsam verbringen. (lacht)

PARI-Blog: Sie haben eben das Thema Inhalation erwähnt? Welchen Einfluss haben Inhalation und Therapie auf Ihren Paaralltag?

Miriam Weiboldt: Sven inhaliert morgens und abends. Es gehört zu unserem Alltag dazu. Anfangs war es eine Umstellung, weil wir bis dahin morgens unseren Hund Attila gemeinsam Gassi geführt hatten. Das können wir nun nicht mehr, weil Sven während dieser Zeit inhalieren muss. Jetzt gehe ich eben alleine mit Atti. Wenn ich zurückkomme, ist die Inhalation erledigt und wir starten in den Arbeitstag. Abends inhaliert er oft, während wir fernsehen. Eigentlich finde ich die Inhalation gut, weil ich sehe, dass sie ihm hilft. Früher hatte er sehr häufig Schüttelfrost und Fieberschübe, die sich über zwei Tage hinzogen. Irgendwann kam dann ein großer Infekt. Das hat sich seit der regelmäßigen Inhalation deutlich gebessert. Schüttelfrost und Fieberschübe hat Sven nicht mehr, seitdem er mit der Inhalationstherapie gestartet hat. Deswegen bin ich eigentlich froh, dass er nun etwas hat, was er für seine Gesundheit und sein Wohlbefinden machen kann.

PARI-Blog: Müssten Sie einer anderen Frau, die überlegt, einen chronisch kranken Mann zu heiraten, einen Rat geben, was würden Sie ihr sagen?

Miriam Weiboldt: Hier würde ich gerne mehrere Punkte anführen.

1. In einer Beziehung mit einem chronisch kranken Menschen ist es wichtig, dass man sich selbst nicht vergisst. Man muss selbst weiterhin die Dinge tun, die einem Spaß machen, auch wenn der andere dabei nicht mitmachen kann. Bei uns betrifft das vor allem Feiern, Konzerte und Events. Darauf verzichte ich nicht. Ich besuche mit Freunden Konzerte oder Messen oder andere öffentliche Veranstaltungen, auch wenn Sven zuhause bleibt.

2. Man muss sich darauf einstellen, dass es nicht leicht wird. Es ist teilweise ein sorgenvolles Leben. Man braucht Geduld und Stärke. Zum einen mentale Stärke, weil gesundheitliche Tiefs und Angst häufiger auftreten als mit einem gesunden Partner. Zum anderen ist Stärke auch im wortwörtlichen Sinne gemeint. Ich übernehme Dinge, die man von der klassischen Rollenverteilung her eher dem Mann zuordnet, wie zum Beispiel schwere Einkaufstüten schleppen. Das mache ich, wenn Sven manchmal die Kondition dafür fehlt.

3. Man sollte Wege für sich finden, mit den Sorgen und Ängsten umzugehen. Mir hilft hier Sport sehr viel. Wenn ich mich beim Sport auspowere, dann sehe ich die Situation hinterher nur noch halb so wild.

4. Reden ist gut, aber zu viel reden ist schlecht. Man sollte dringend vermeiden, dass die Krankheit Dauerthema und Gesprächsthema Nummer eins ist. Es ist verständlich, dass der kranke Partner darüber sprechen möchte, wenn die Krankheit ihn zu stark einnimmt. Ab einem bestimmten Punkt ist es aber sinnvoll, dass der Partner das Thema mit jemand anderem bespricht – einem Außenstehenden, einem Psychologen.

Eine Beziehung zu einem chronisch kranken Partner bedeutet Einschränkungen, man bekommt aber dafür andere Sachen – mehr Genuss und Bewusstsein für den Moment, mehr Innigkeit und Nähe, die Fähigkeit, immer das Beste aus einer Situation zu machen. Deswegen würde ich vor einer Beziehung mit einem chronisch kranken Menschen nie zurückschrecken. Wie gesagt, ich würde Sven immer wieder heiraten.

PARI-Blog: Liebe Frau Weiboldt, herzlichen Dank für das offene Gespräch.


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Hinweis: Bei den im Interview getroffenen Aussagen handelt es sich um die individuelle Sichtweise der Interviewten. Diese spiegeln nicht zwangsläufig die PARI Sichtweise oder den allgemeinen Stand der Wissenschaft wider.


Ein Beitrag der PARI-BLOG Redaktion.


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