Der Berg ruft! Was geht bei Bergsport und Wandern mit Asthma, COPD und Co?

Sport und Bewegung gelten als ein wichtiger Baustein im Rahmen der Therapie von chronischen Atemwegserkrankungen wie zum Beispiel Asthma, COPD, Mukoviszidose oder Primäre Ciliäre Dyskinesie (PCD). Dazu gehört auch Wandern an der frischen, sauberen Bergluft. Doch ab wann und in welcher Höhe kann die Bergluft Gefahren für Atemwegspatienten bergen? Und eignet sich jeder Bergsport? Im Gespräch mit Lungenfacharzt Prof. Dr. Rainald Fischer klären wir, worauf Patienten bei Bergsport und Wandern mit Asthma, COPD und Co achten sollten.

PARI-Blog: Prof. Dr. Fischer, Bergsport und Wandern mit chronischen Atemwegserkrankungen – was empfehlen Sie Ihren Patienten?

Prof. Dr. Fischer: Beim Bergsport gibt es viele verschiedene Spielarten – von einfachem Wandern in niedrigen Lagen, über Klettern, Mountainbiken, Skifahren auf dem Gletscher bis hin zu mehrtägigen Hochtouren. Was davon für Menschen mit chronischen Atemwegserkrankungen gesund und möglich ist, hängt von der Höhenlage, der Anstrengung, der Aufenthaltsdauer in der Höhenlage, der Ausprägung der Lungenerkrankung, der allgemeinen gesundheitlichen Verfassung und – wie bei gesunden Menschen auch – vom Fitnesszustand ab. Grundsätzlich würde ich keine Bergsportart für Atemwegspatienten ausschließen.

Aber generell muss man bei Sport oder Bewegung in den Bergen immer im Hinterkopf haben, dass es bei muss man bei Sport oder Bewegung in den Bergen immer im Hinterkopf haben, dass es bei Lungenpatienten schneller bzw. in niedrigeren Lagen zu Sauerstoffmangel und der Höhenkrankheit kommen kann, als bei Menschen mit einer gesunden Lunge. Wann es zu einem Sauerstoffmangel kommt, ist individuell und wird nicht nur von der Höhenlage, sondern auch von der Anstrengung beeinflusst. Das heißt Lungenpatienten müssen beim Wandern, Bergsteigen und anderen Bergsportarten gegebenenfalls ein langsameres Tempo anschlagen, können vielleicht nicht ganz so hoch hinaus oder sollten sich nicht allzu lange in hohen Lagen aufhalten, um Sauerstoffmangel zu vermeiden bzw. die Zeit im Sauerstoffmangel möglichst kurz zu halten.

PARI-Blog: In welche Höhen können sich Lungenpatienten in die Berge begeben ohne Sauerstoffmangel und Höhenkrankheit fürchten zu müssen? Gibt es Richtwerte?

Prof. Dr. Fischer: Grundsätzlich können sich Patienten hier an den Flugtauglichkeitsregeln orientieren. Denn in der Flugzeugkabine herrscht ein ähnlicher Luftdruck wie im Hochgebirge. Mit zunehmender Höhe nimmt die Sauerstoffsättigung in der Flugzeugkabine ab. Bei einer Flughöhe von zum Beispiel 2.100 bis 2.400 Metern sinkt der Sauerstoffpartialdruck in der Luft um circa 15 Prozent. Infolgedessen reduziert sich der Sauerstoffgehalt des Blutes – übrigens nicht nur bei Lungenpatienten, sondern auch bei Gesunden. Wer also Langstreckenflüge gut meistert, hat auch nichts zu befürchten, wenn er sich in Ruhe in den Bergen auf eine Höhe von 2.000 bis 2.500 Meter begibt. 2.300 bis 2.500 Meter ist übrigens auch die Grenze, ab der es auch bei gesunden Menschen in den Bergen mit Sauerstoffmangel und Höhenkrankheit kritisch werden kann.

Patienten, deren Lungenerkrankung stärker ausgeprägt ist, können schon ab 1.500 Meter Luftnot und gesundheitliche Probleme bekommen, welche durch die Höhenluft ausgelöst werden. Wer eine Lungenfunktion mit einem FEV1-Wert unter 50 Prozent hat, und bereits in Tallagen eine Sauerstoffsättigung unter 92 Prozent aufweist, der sollte vorsichtig sein, und sich vor einem Ausflug in Höhen von über 2000 Meter mit seinem Arzt besprechen. Es macht natürlich auch einen Unterschied, ob ich mit der Bergbahn zum Gipfel fahre, um oben einen kleinen Spaziergang zu machen, oder tatsächlich aktiv zu Fuß zum Gipfel wandere.

PARI-Blog: Wer kann sich was zutrauen? Könnten Sie bitte ein paar Beispiele geben?

Prof. Dr. Fischer: Grundsätzlich gilt: Je besser die Lungenfunktion und je besser die Sauerstoffsättigung im Tal, umso mehr können sich Atemwegspatienten an der Höhenluft zutrauen. Wichtig ist, dass Patienten ihre sportliche Leistungsfähigkeit selbst einschätzen können, ihre Notfallmedikamente dabeihaben und wissen, wie sie sich bei auftretenden Atemproblemen verhalten müssen. Bei Mehrtageswanderungen sollte man bei der Wahl der Tour gut überlegen, wie weit man sich von der Zivilisation und damit von der Möglichkeit einer medizinischen Versorgung wegbegeben möchte. Generell ist es immer ratsam, sich nicht alleine in die Berge zu begeben. Aber Sie hatten mich um Beispiele gebeten.

Beispiel 1: Gut eingestellter, sportlicher Asthmatiker

Ein junger, gut trainierter Asthmatiker mit intrinsischem (nicht-allergischem) Asthma, das gut eingestellt ist, und welches er im Griff hat, kann im Grunde genommen alles machen – zum Beispiel auch den Mount Everest mit einer Höhe von 8.848 Meter besteigen. Dies sollte er selbstverständlich mit der entsprechenden Vorbereitung tun. Außerdem muss er seine Medikamente mitführen und wissen, wodurch sein Asthma getriggert wird oder wie er sich bei einem Asthmaanfall zu verhalten hat. Es sollte eine zweite Person dabei sein, die Grundwissen zur Asthmaerkrankung hat, und im Notfall helfen kann.

Beispiel 2: Patienten mit Mukoviszidose oder Primärer Ciliärer Dyskinesie in mittelstarker Ausprägung

CF- und PCD-Patientien mit einem FEV1-Wert zwischen 50 und 60 Prozent und einer Sauerstoffsättigung ab 95 Prozent in Tallagen können alle Gipfel in den bayerischen Alpen besteigen oder in diesen Höhen Skifahren. Die Patienten müssen vermutlich langsamer gehen als Gesunde. Um die Atmung besser unter Kontrolle zu haben, kann die Lippenbremse angewendet werden. Ob es unbedingt der Mont Blanc mit 4.810 Meter sein muss? Da würde ich dazu raten, sich nochmal Gedanken zu machen. Sollten Mehrtagestouren mit Übernachtungen auf Hütten geplant sein, müssen Patienten alles für ihre Inhalationstherapie sowie Notfallmedikamente dabeihaben und wissen, was bei einer Exazerbation (Anm. d. Redaktion: plötzliche Verschlimmerung der Symptome) zu tun ist. Auch hier gilt, dass man Touren besser nicht alleine macht.

Beispiel 3: COPD-Patienten und ehemaliger Raucher, Mitte 60, etwas übergewichtig, nicht so bewegungsfreudig

COPD-Patienten, die einen FEV1-Wert von ca. 50 Prozent und eine Sauerstoffsättigung um die 92 Prozent haben, könnten mit dem Auto oder der Bergbahn auf einen Gipfel hochfahren wie zum Beispiel den der Zugspitze und dort oben für circa eine Stunde spazieren gehen. Dann sollte die Abfahrt erfolgen. Bei größerer Anstrengung wird sich Unwohlsein einstellen, wodurch die Motivation fallen dürfte. Wobei es natürlich wünschenswert wäre, wenn sich auch Patienten mit COPD langsam an mehr Bewegung herantasten würden.

Für alle Atemwegspatienten gilt grundsätzlich, nur solange oben auf dem Berg zu bleiben, solange man sich wohlfühlt. Sie sollten umzukehren, bevor sich neben der Luftnot weitere Symptome wie Sehstörungen, Kopfschmerzen, Schwindel oder Übelkeit einstellen können.

PARI-Blog: Wie können Atemwegspatienten testen, welche Höhe und welche Belastung sie in Höhenlagen schaffen?

Prof. Dr. Fischer: Zum einen könnten Lungenpatienten zusammen mit einer gesunden Begleitperson, die am Steuer sitzt, mit dem Auto zum Beispiel die Panoramastraße nach Kühtai (ca. 2.000 Meter) oder die Großglockner Hochalpenstraße (bis zu 2.500 Meter) fahren. Während der Fahrt sollten Patienten darauf achten, ob und ab wann sich Luftnot einstellt. Sie können auch ein Sauerstoffmessgerät mitnehmen, um zu kontrollieren, wie sich die Sauerstoffsättigung auf dem Weg oder oben in der Höhe in Ruhe und bei geringer Belastung, wie einem Spaziergang, verhält. Wenn die Luftnot unangenehm wird oder die Patienten eine Sauerstoffsättigung unter 85 Prozent messen, sollten sie abbrechen und wieder nach unten fahren.

Zum anderen können Patienten in einer dafür ausgestatteten Praxis einen Test zur Verträglichkeit von Höhenaufenthalten machen. Bei diesem sogenannten Hypoxietest wird künstlich mehr Stickstoff in die Atemluft gegeben und der Sauerstoffanteil verringert. Damit lassen sich unterschiedliche Höhenlagen simulieren. Es werden die Blutgase gemessen und eine Lungenfunktionstest mit Diffusion durchgeführt. Der Test kann sowohl in Ruhe als auch unter Belastung stattfinden. Die wichtigsten Fragen sind hier: Wie stark fällt die Sauerstoffsättigung ab? Reagiert der Mensch mit einer stärkeren Atmung auf den Sauerstoffmangel oder nicht? Menschen, die nicht mit einer verstärkten Atmung auf Sauerstoffmangel reagieren, werden schneller höhenkrank. Bei solchen Patienten ist also besondere Vorsicht geboten. Auf Basis des Tests lassen sich Empfehlungen zu Höhenaufenthalten ableiten.

PARI-Blog: Gibt es Patienten, denen Sie in jedem Fall zu einem Hypoxietest raten?

Prof. Dr. Fischer: Es gibt Patienten, die bei Höhenlagenaufenthalte vermehrt mit Problemen zu rechnen haben, unabhängig von Sauerstoffsättigung in Tallagen und dem FEV1-Wert. Das sind für gewöhnlich Patienten mit Lungenhochdruck, Lungenfibrosen oder Patienten, bei denen zusätzlich zur Lungenerkrankung eine Herzerkrankung vorliegt. Diese Patienten müssen auch einen kurzzeitigen Abfall der Sauerstoffsättigung dringend vermeiden, zu dem es in Höhenlagen immer kommen kann. Ein Aufenthalt in den Bergen birgt für diese Patienten große Risiken. Daher ist bei solchen Patienten der eben erwähnte Hypoxietest erforderlich.

PARI-Blog: Wie können sich Atemwegspatienten auf Aktivitäten in den Bergen vorbereiten?

Prof. Dr. Fischer: Das hängt natürlich vom Ziel ab, das ich habe. Wenn mein Ziel zum Beispiel ist, eine Stunde auf der Zugspitze spazieren zu gehen, sollte ich darauf hinarbeiten, in der Ebene in Tallage mehr als eine Stunde walken zu können. Ins Training bauen Patienten idealerweise kleine Belastungseinheiten von 15 bis 30 Sekunden ein, zum Beispiel in Form von Laufeinheiten, eine Steigung zu nehmen oder auf eine Bank zehn Mal hoch und runter zu steigen. Günstig ist es, jemanden zu haben, der einen anleitet. Unterstützung können sich Atemwegspatienten im Rahmen von Lungensportgruppen, von Fitnesstrainern oder Physiotherapeuten mit entsprechendem Hintergrund holen. Bei der Belastung am Berg selbst, sollten die Patienten ihr eigenes Tempo gehen und sich nicht hetzen lassen.

PARI-Blog: Chronisch, lungenkranke Kinder – gibt es hier zusätzlich etwas bei Sport oder Aufenthalt in den Bergen zu beachten?

Prof. Dr. Fischer: Hier gelten dieselben Regeln wie für Erwachsene. Solange sich die Kinder selbst äußern können, wenn sie sich nicht wohl fühlen. Bei ganz kleinen Kindern sollte man eher zurückhaltend sein, zumal der Erlebniswert vermutlich auf einer Wanderung im Tal genauso gut ist wie auf dem Berg.

PARI-Blog: Prof. Dr. Fischer, vielen Dank für die interessanten Informationen.


Über Prof. Dr. Fischer

Prof. Dr. Rainald Fischer ist niedergelassener Facharzt für Innere Medizin, Teilgebiet Lungen- und Bronchialheilkunde, Fachkunde Notfallmedizin, Schlafmedizin und Allergologie in München-Pasing. Davor war er als Internist und Lungenfacharzt, zuletzt Oberarzt an der medizinischen Universitätsklinik Innenstadt München tätig. Prof. Dr. Rainald Fischer ist Gründungsmitglied und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Berg- und Expeditionsmedizin, außerdem Mitglied in der ärztlichen Arbeitsgemeinschaft Mukoviszidose.


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Hinweise: Bei den im Interview getroffenen Aussagen handelt es sich um die individuelle Sichtweise des Interviewten. Diese spiegeln nicht zwangsläufig die PARI Sichtweise oder den allgemeinen Stand der Wissenschaft wider.

PARI empfiehlt Patienten außerdem, sich hinsichtlich Sportes und Aktivitäten in Höhenlagen stets mit dem behandelnden Facharzt abzusprechen.


Ein Beitrag der PARI-BLOG Redaktion.


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