COPD und Corona: „Es war knapp, aber ich habe Corona überlebt”

Auch Richard hatte ähnliche Gedanken, als es mit Corona in Deutschland los ging. Denn der 64-Jährige hat seit über zwanzig Jahren ein Lungenemphysem, viele große Blasen in der Lunge, die teils bereits reduziert werden mussten oder auch schon geplatzt sind. Vor vier Jahren erlitt er eine Lungenspastik, seit der er auch sauerstoffpflichtig ist. Seine COPD wurde kürzlich mit Grad 4 eingestuft. Das alles ist eine denkbar ungünstige Ausgangslage für eine Corona-Infektion.

Dramatischer Weise steckte sich Richard Ende März 2020 in einer Reha-Klinik mit Corona an. In der Reha-Klink war Richard, um auf eine weitere Operation zur Lungenreduktion vorbereitet zu werden. Er sollte Ausdauer aufbauen und fit werden für den anstehenden Eingriff. Stattdessen brach er den Reha-Aufenthalt ab, nachdem seine Tischnachbarn erkrankten und positiv auf das Virus getestet wurden. Er fuhr nach Hause und ließ sich ebenso testen. Das Testergebnis war Corona positiv, obwohl er keine Symptome hatte. Das sollte nicht so bleiben. Im Gespräch erzählt Richard vom Verlauf seiner Covid-19 Erkrankung und, dass er sie nur knapp überlebt hat.

PARI-Blog: Richard, wann und wie haben sich die ersten Corona-Symptome geäußert?

Richard: Zwei Tage nach dem Corona-Test hat es mich niedergestreckt. Ich hatte Fieber, starke Gliederschmerzen, war atemlos, die Sauerstoffsättigung fiel extrem stark und ich war überhaupt nicht belastbar. Viel Husten hatte ich nicht. Das lag aber wohl daran, dass ich Hustenblocker verschrieben bekam. Durch starken Husten hätte meine Lunge schweren Schaden nehmen können. Das gleiche gilt für eine künstliche Beatmung im Krankenhaus, weswegen diese dringend zu vermeiden galt. Zum Glück konnte ich während meiner gesamten Covid-19 Erkrankung zuhause versorgt werden, dank meiner Frau und den Ärzten, die zu Hausbesuchen kamen.

PARI-Blog: Wie entwickelte sich Ihre Corona-Infektion im Verlauf? Wie lange und wie schlimm waren Sie krank?

Richard: Ich habe praktisch neun Wochen lang nur unser Wohnzimmer gesehen. Zum einen wegen der Quarantäne, zum anderen, weil es mir so schlecht ging, dass ich nur sitzen oder mit aufrechtem Oberkörper liegen konnte und auch zum Schlafen im Wohnzimmer blieb. Meine Frau versorgte mich aufopferungsvoll zuhause. Die Ärzte kamen in voller Schutzausrüstung zum Hausbesuch, um Untersuchungen, Blutentnahmen und Infusionen durchzuführen. Ich bekam Blutverdünner, weil sich kleine Thrombosen gebildeten hatten. Dazu war ich mehrmals kurz vor dem Erstickungstod. Teilweise musste meine Frau mich dazu ermuntern, dass ich durchhalten und einatmen muss. Meine reguläre Langzeitsauerstofftherapie reichte nicht mehr aus, obwohl meine Frau die Sauerstoffversorgung an meinen beiden Geräten bis zum Anschlag aufdrehte. Daher bekam ich ein sogenanntes High-Flow-Gerät, das bis zu 50 Liter Luft gemischt mit Sauerstoff pro Minute liefert. Dabei erfolgt eine leichte Form der Überdruckbeatmung. Durch den Einsatz dieses Gerätes konnte eine künstliche Beatmung mit Intubation vermieden werden, weil damit sozusagen rund um die Uhr Sauerstoff in meine Lunge strömte, auch ohne, dass ich bewusst einatmen musste. Trotzdem rutsche meine Sättigung teilweise unter 70 Prozent. Zum Vergleich: Für gewöhnlich lag meine Sättigung vor der Corona-Infektion in Ruhe bei ca. 92 Prozent. Wegen des Sauerstoffmangels während Covid-19 kann ich mich auch nicht mehr vollumfänglich an die Zeit meiner Erkrankung erinnern. Ich befand mich oft in einer Art Dämmerzustand. Ich hörte zwar Stimmen und bekam mit, dass jemand da war – zum Beispiel der Arzt – aber bewusst wahrnehmen und hören, was gesprochen wurde, konnte ich nicht. Dieser Zustand erlaubte es mir auch nicht, Atemtherapie oder ähnliches in dieser Zeit durchzuführen. Ich war nicht einmal mehr in der Lage, mein Aerosolspray selbst zu inhalieren. Dies verabreichte mir meine Frau. Es war eine sehr schwere Zeit, es war knapp, aber ich habe Corona überlebt.

PARI-Blog: Sie sagen, Ihre Frau hat sich um Sie gekümmert und versorgt. Hat sich Ihre Frau nicht angesteckt?

Richard: Doch, meine Frau war auch an Covid-19 erkrankt. Sie hatte Husten, Kopfschmerzen, Geruchssinn- und Geschmackssinnverlust und fühlte sich mehrere Tage nicht wohl. Sie hat mich trotzdem gepflegt. Sie ist der Überzeugung, dass ihr Körper durchgehalten hat, weil sie wusste, wenn sie schlapp machen und mich im Stich lassen würde, dann hätte ich gar keine Chance zum Überleben mehr gehabt.

PARI-Blog: Sie waren neun Wochen krank und bettlägerig. Hat Ihre Lunge durch Corona langfristig Schaden genommen?

Richard: Ja, das Corona-Virus hat seine Spuren hinterlassen. Meine Lungenfunktion ist schlechter geworden, der FeV1-Wert liegt jetzt nur noch bei 32 Prozent. Vor Corona lag der Wert um einige Prozentpunkte höher. Ich war auch kürzlich bei der Computertomographie. Im Bild sieht man, dass die Blasen in der Lunge noch größer geworden sind. Außerdem zeigen sich Verklebungen. Ob diese wieder zurückgehen, wird man erst über die Zeit sehen.

PARI-Blog: Wie geht es Ihnen jetzt?

Richard: Ich erhole mich nur sehr langsam, wobei ich seit zwei, drei Tagen kaum mehr blutigen Auswurf habe und ein bisschen schneller Fortschritte mache. Dennoch bin ich sehr geschwächt und unfit. Zum einen habe ich stark an Muskeln abgebaut, zum anderen brauche ich doppelt so viel Sauerstoff als vor der Corona-Infektion. Bei minimalster Bewegung sackt die Sättigung stark ab und es ist sehr anstrengend. Mit minimaler Bewegung meine ich den Gang vom Wohnzimmer, zur Toilette oder Haustüre. Das sind maximal 10 Meter. Vor zwei Wochen musste ich bei dieser Strecke noch zwei Pausen einlegen. Jetzt schaffe ich zumindest diese Strecke in einem Zug. Jedoch muss man sich vor Augen führen, dass ich vor fünf bis sechs Wochen fast gestorben wäre. Insofern kann ich zufrieden sein. Schließlich habe ich mit einer schweren COPD Corona überlebt. Mit so einer Erfahrung ändert sich der Blick auf alles. Meine Frau und ich hatten sehr lange keinen Kontakt zu Mitmenschen, auch nicht zu unseren Kindern, durften oder konnten nicht nach draußen, es gab keine Perspektive. Daher genießen wir nun alles viel mehr, auch wenn ich bei Aktivitäten außer Haus neben Sauerstoff auf Gehwagen oder Rollstuhl angewiesen bin und Unterstützung von meiner Frau oder einer anderen Person brauche.

PARI-Blog: Hat sich seit Ihrer Corona-Infektion an Ihrem COPD-Therapieplan oder Atemtherapie etwas geändert?

Richard: Bisher hat sich grundsätzlich nichts geändert. Ich bekomme allerdings zweimal die Woche Hausbesuche von meiner Atemphysiotherapeutin, die mit mir unter anderem PEP-Atmung und Atmung per Lippenbremse übt, sowie Anwendungen und Muskelaufbautraining mit mir macht.

PARI-Blog: Richard, vielen Dank, dass Sie Ihre Geschichte mit uns geteilt haben. Wir wünschen Ihnen weiterhin eine schnelle Besserung und alles Gute.


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Hinweis: Bei den im Interview getroffenen Aussagen handelt es sich um die individuelle Sichtweise des Interviewten. Diese spiegeln nicht zwangsläufig die PARI Sichtweise oder den allgemeinen Stand der Wissenschaft wider.


Ein Beitrag der PARI-BLOG Redaktion.


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