Rezidivierende Atemwegsinfekte – Diagnostik und Therapie

Kinder erleben durchschnittlich 6-8 Atemwegsinfektionen im Jahr, sodass diese der Hauptgrund für Konsultationen in der Arztpraxis sind. Wann sollte man als behandelnder Arzt an einen primären Immundefekt (PID) als Ursache denken, und wie erfolgt in einem solchen Fall die Diagnostik? Was kann man zur Vorbeugung und Behandlung häufiger Infekte mit oder ohne Immundefekt tun? Diesen Fragen gingen Prof. Dr. Hauck und Dr. Manfred Praun im CME-Webinar der PARI Akademie vom 29.11.2023 auf den Grund.

Was ist ein primärer Immundefekt (PID)?

Primäre Immundefekte sind angeborene Störungen des Immunsystems, die eine mangelhafte (permissive) Immunreaktion zur Folge haben. Von einem angeborenen Immundefekt können nahezu alle Bereiche/Komponenten des Immunsystems betroffen sein: humorale und zelluläre Immunabwehr (auch in kombinierter Form), Phagozyten und das Komplementsystem.

Wie häufig sind primäre Immundefekte?

Mittlerweile sind etwa 500 verschiedene Formen von primären Immundefekten bekannt, deren Häufigkeit bei 1:2.000 bis 1:5.000 liegt, bei manchen gibt es nur Einzelfallberichte. Ca. 60 % der angeborenen Immundefekte führen zu einem Antikörper­mangel, der die Ursache von häufigen Atemwegsinfekten sein kann.

Klinische Evaluation und Diagnose eines Immundefekts

Leitsymptom eines primären Immundefekts ist eine pathologische Infektionsanfälligkeit. Die Abgrenzung zu physiologischen Infektions­anfälligkeit ist allerdings schwierig, da unspezifische Krankheitszeichen, das vielfältige Erscheinungsbild sowie die große Zahl möglicher Ursachen die korrekte Diagnose erschweren. Schließlich leiden auch immunkompetente Kleinkinder häufig unter Infekten. Neben der Analyse der pathologischen Infektionsanfälligkeit (ELVIS), die Fragen zum Erreger, der Lokalisation, dem Verlauf und der Intensität und der Summe der Infekte einschließt, werden laut AWMF-Leitlinie darüber hinaus folgende Warnzeichen für die Diagnose herangezogen [1]:

  • Immundysregulation
  • Gedeihstörungen/ Gewichtsverlust mit Diarrhoe
  • Auffällige Familienanamnese (Konsanguinität, Immundefekt, pathologische, Infektionsanfälligkeit, Immundysregulation, Lymphome)
  • Hypogammaglobulinämie, anhaltende oder rezidivierende, Lymphopenie, Neutropenie , Thrombozytopenie
  • Genetischer Hinweis auf einen primären Immundefekt oder ein positives Neugeborenen Screening auf PID
  • Ungewöhnliche Verläufe nach einer Lebendimpfung (z. B. Rotaviren, Masern)

Treten diese Kriterien auf, sollte an das Vorliegen von PID gedacht und zur weiteren Abklärung, eine Stufendiagnostik erfolgen. Als Basisdiagnostik dient die Bestimmung der Immunglobuline (IgM, IgG, IgA, IgE) und ein Blutbild mit Differenzierung (altersentsprechende Normwerte sind zu beachten) [1].

Die weiterführende genetische Diagnostik von PID soll nach begründeter ärztlicher Indikationsstellung in enger Zusammenarbeit mit einem in der Diagnostik und Behandlung von Immundefekten erfahrenen Arzt und nach Durchführung einer genetischen Beratung erfolgen.

Therapie bei Patienten mit gewöhnlichem variablem Immundefekt (CVID)

Ein CVID ist eine Untergruppe eines Immundefekts mit überwiegendem Antikörpermangel und besonders relevant bei pathologischer Infektanfälligkeit der Atemwege. Die Patienten erhalten dann in der Regel eine lebenslange Immunglobulin-Substitution. Prof. Dr. Hauck hebt hervor, dass zur Prävention von Atemwegsinfekten zusätzlich die Pflege der Atemwege durch Inhalation mit isotoner Kochsalzlösung (0,9 % NaCl) durchgeführt werden kann.

Inhalation isotoner Salzlösungen zur Verbeugung rezidivierender Atemwegsinfekte

Die mukoziliäre Clearance ist die erste Verteidigungslinie unserer Atemwege gegenüber Pathogenen. Das funktioniert aber nur, wenn sie intakt ist. Erreger, trockene Luft und andere exogene Einflüsse können die mukoziliäre Clearance stören [2].

Daher sieht Dr. Manfred Praun in der regelmäßigen Pflege dieses Schutz­mechanismus eine wichtige Aufgabe von Ärzten und Eltern. Die Inhalation von isotoner Salzlösung befeuchtet die Schleimhaut der Atemwege, unterstützt so die mukoziliäre Clearance und kann dazu beitragen, dass weniger Infekte auftreten. Das gilt laut Prof. Fabian Hauck nicht nur für Personen mit einem Immundefekt, sondern auch für diejenigen mit kompetentem Immunsystem.

Als besonders interessant hebt Dr. Manfred Praun Inhalationslösungen mit dem Naturstoff Ectoin hervor. Ectoin ist ein natürliches Zellschutzmolekül, das stark wasserbindende Eigenschaften aufweist und so für die Stabilisierung und Aufrechterhaltung der Funktionalität biologischer Strukturen sorgt. Die extremophilen Bakterien, die in der Natur Ectoin produzieren, werden dadurch vor Temperaturschwankungen, starker UV-Strahlung oder Austrocknung geschützt. Wird Ectoin-haltige,  isotone Kochsalzlösung inhaliert, dann profitieren die Atemwege von einem zusätzlichen Schutz und von der entzündungsreduzierenden Wirkung [3, 4].

Inhalation von hypertoner Kochsalzlösung zur Sekretolyse

Leiden Kinder bereits an einem Atemwegs­infekt, z. B. an einer akuten viralen Bronchitis, dann reagieren die Schleimhäute mit einer übermäßigen Sekretion von zähem Mukus. Die Zilienmotalität wird dadurch gehemmt, was die Effektivität der mukoziliären Clearance beeinträchtigt.

Wird hypertone Kochsalzlösung über einen Vernebler inhaliert, dann gelangt diese direkt an die Schleimhäute. Osmotische Prozesse führen zu einer Verflüssigung des Schleims und dieser kann besser abtransportiert werden [5-7]. Enthält die hypertone Inhalationslösung zusätzlich Ectoin, dann profitieren die Atemwege darüber hinaus von der entzündungsreduzierenden Wirkung und dem Schutzfilm.

Darauf kommt es bei der Ver­ordnung des Inhalations­geräts an

Welches Inhalationsgerät eignet sich am besten zur Behandlung von rezidivierenden Atemwegsinfekten? Es kommt darauf an, wo die Erkrankung lokalisiert ist.

Infektion im Kehlkopf-Bereich

Löst die Infektion vor allem Beschwerden im Bereich des Larynx aus, wie z. B. beim Pseudokrupp, dann ist ein Inhalationssystem zu wählen, welches ein Aerosol mit extra großen Teilchen (5-8 µm) produziert.

Kleine Atemwege (Bronchien / Bronchiolen)

Manifestiert sich die Infektion in den unteren Atemwegen (z.B. virale akute Bronchitis, Bronchiolitis), dann ist ein Inhalationssystem sinnvoll, welches ein Aerosol mit einem möglichst großen Anteil an lungengängigen Partikeln produziert. Deshalb spricht man bei Medikamentenmengen, die in Tröpfchen gleich oder kleiner 5 µm enthalten sind, auch von lungengängiger oder respirabler Dosis.

Die Feinheit der Partikel ist aber nur einer der Parameter, die die Leistungsfähigkeit eines Inhalationsgerätes charakterisiert. Feine Partikel führen bei gleicher Leistung des Gerätes zu längeren Inhalationszeiten. Das ideale Inhalationssystem erkennt man an einer hohen RDDR (Respirable Drug Delivery Rate). Hierbei handelt es sich um eine Kenngröße, die angibt, wie viel Wirkstoff pro Zeiteinheit in der Lunge ankommen kann.

Dr. Manfred Praun verweist auf eine Publikation [8] laut der es erhebliche Unterschiede zwischen auf dem Markt verfügbaren Vernebler- Systemen gibt. Die Top Modelle weisen eine bis zu dreimal höhere RDDR auf als andere Geräte. Er hebt hervor, dass es aus seiner Erfahrung sehr wichtig ist, das gewünschte Gerät namentlich auf das Rezept zu schreiben, da sonst nicht gewährleistet ist, dass der Patient das präferierte Gerät erhält.

Inhalationstherapie bei gängigen Atemwegserkrankungen

Die meisten Atemwegsinfekte verlaufen mit den Leitsymptomen Husten und Schnupfen und klingen auch von allein ab. Dr. Praun betont allerdings, dass eine blockierte Nasenatmung für Babys nicht einfach nur ein Schnupfen ist, da Babys auf die Nasenatmung angewiesen sind und darunter stark leiden. Inhalationen von Salzlösungen bieten hierfür eine effektive Therapieoption zur Linderung der Beschwerden.

Inhalation bei Pseudokrupp

Bei Pseudokrupp sollte Epinephrin und ggf. isotone Kochsalzlösung feucht mit einem Vernebler inhaliert werden. Wichtig ist hierbei einen Vernebler zu wählen, der extra große Teilchen produziert (≥ 5 µm) wie z. B. PARI XLent (mit transparentem Düseneinsatz).

Zudem sollte die Nase gepflegt werden, z. B. mit isotoner Kochsalzlösung. Diese kann bei Babys in die Nase getropft oder später auch als Nasenspülung eingesetzt werden.

Bronchiolitis

Bei Bronchiolitis hat sich in der Praxis die Inhalation mit hypertoner Kochsalzlösung (z. B. MucoClear 3 %) bewährt [9-11]. Hypertone Kochsalzlösung mit Ectoin sind zu erwägen, da die Kinder so auch von der entzündungsreduzierenden Wirkung des Ectoins profitieren (z. B. MucoClear Protect).

Zudem kann im Einzelfall die Inhalation von Salbutamol in Betracht gezogen werden.

Bronchitis

Bei einer obstruktiven Bronchitis sollten laut Dr. Manfred Praun Salbutamol oder inhalative Steroide über einen Vernebler oder über ein Dosieraerosol mit Inhalierhilfe/Spacer inhaliert werden.

Dr. Praun verweist auch auf eine Studie, die einen positiven Effekt von Ectoin auf die wichtigsten Symptome der akuten Bronchitis zeigte [12]. 

Fazit:

In den meisten Fällen liegt rezidivierenden Infekten bei Kleinkindern kein Immundefekt zugrunde. Liegt ein Verdacht auf einen Immundefekt vor, dann sollte eine ausführliche Diagnose entsprechend der Leitlinie erfolgen. Insbesondere bei Kindern mit Antikörpermangel aber auch bei Kindern mit intaktem Immunsystem ist es sinnvoll die Atemwege zu pflegen, um die Häufigkeit von Atemwegsinfekten und deren Schwere zu reduzieren.

Nasenspülungen und Inhalationen mit Kochsalzlösungen sind niederschwellige Behandlungsoptionen. Welches Inhalations­gerät gewählt wird, hängt vom Bereich in den Atemwegen ab, in dem die Erkrankung Symptome auslöst. Die Qualitätsunterschiede bei Inhalationsgeräten sind signifikant und eine namentliche Verordnung stellt sicher, dass Ärzte die Therapiehoheit behalten.

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Literatur und Quellen:

[1] S2k-Leitlinie: Diagnostik auf Vorliegen eines primären Immundefekts.10/2017
[2] De Rose V et al. Airway epithelium dysfunctions in cystic fibrosis and COPD. In: Hindawi Limited (Hrsg.): Mediators of Inflammation. Band 2018, Nr. 1309746, 8. April 2018.
[3] Graf R et al. The multifunctional role of ectoine as a natural cell protectant.Clin Dermatol 2008;26:326–33.
[4] Unfried K et al. Reduction of neutrophilic lung inflammation by inhalation of the compatible solute ectoine: a randomized trial with elderly individuals. Int J Chron Obstruct Pulmon Dis 2016;11:2573.
[5] Alexis NE, et al., Safety and benefits of inhaled hypertonic saline following airway challenges with endotoxin and allergen in asthmatics. J Asthma Off J Assoc Care Asthma. November 2017;54(9):957–60.
[6] Tarran R et al., The CF salt controversy: in vivo observations and therapeutic approaches. Mol Cell 2001; 8:149-158.
[7] Donaldson SH et al., Mucus clearance and lung function in cystic fibrosis with hypertonic saline.NEngl J Med 2006;354:241-250.
[8] Fischer R et al., Drug Delivery to the Lungs, Volume 33, 2022.
[9] Zhang L, et al. Nebulised hypertonic saline solution for acute bronchiolitis in infants. Cochrane Database Syst Rev. 2023 Apr 4;4(4).
[10] Lin J et al., Exploring the appropriate dose of nebulized hypertonic saline for bronchiolitis: a dose-response meta-analysis. J Investig Med. 2022 Jan;70(1):46-54.
[11] Wang ZY et al., Efficacy of 3% hypertonic saline in bronchiolitis: A meta-analysis. Exp Ther Med. 2019 Aug;18(2):1338-1344.
[12] Tran BH et al., Ectoine-Containing Inhalation Solution versus Saline Inhalation Solution in the Treatment of Acute Bronchitis and Acute Respiratory Infections: A Prospective, Controlled, Observational Study. Biomed Res Int. 2019 Jan 31;2019:7945091.