Älterer Erwachsener hustet

Wird RSV bei Erwachsenen unterschätzt?

Im CME-Webinar für Ärzte „Fokus RSV – Die unterschätzte Endemie“ am 6. Februar 2022 führten die renommierten Experten Prof. Dr. med. Michael Kabesch, Prof. Dr. med. Michael Pfeifer und Prof. Dr. med. Andreas Ambrosch in drei Vorträgen durchs Thema. Basierend auf systematischen Datenerhebungen seit 2016 beleuchteten sie wichtige Fragestellungen: Hat die Corona Pandemie zu einer Trendwende bei Schwere und Stärke von RSV-Wellen geführt? Wird RSV bei Erwachsenen unterschätzt? Außerdem erfahren Sie, was die Referenten bezüglich der RSV-Welle 2023/24 prognostizieren und empfehlen.
 

Wie verhalten sich RSV-Wellen im zeitlichen Verlauf?

Rückblickend auf den Winter 2022 / 23 lässt sich festhalten: Es war eine besonders intensive Infekt-Saison in der Kinder- und Jugendmedizin. Kinderkliniken stießen an ihre Grenzen und waren sogar über ihre Möglichkeiten hinaus beansprucht. Hat sich durch die Corona-Pandemie eine nachhaltige Trendwende in Sachen Stärke und Schwere von RSV-Infektions-Wellen eingestellt? Was bedeutet das für die Zukunft? 

Im Krankenhaus Barmherzige Brüder Regensburg - Klinik St. Hedwig werden seit 2016 systematische PCR-Tests bei stationären Aufnahmen durchgeführt und RSV-Wellen im Hinblick auf Stärke und Schwere untersucht. Hierbei lässt sich feststellen: 

  • In den Jahren vor der Corona-Pandemie gab es alle zwei Jahre eine „besonders starke“ und im Jahr dazwischen eine „starke“ RSV-Welle 
  • Seit 2016 steigen die Hospitalisierungen an 
  • RSV-Welle 20/21 ist komplett ausgefallen aufgrund der Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie 
  • 21/22 kam unerwartet früh und ist als „starke“ Welle zu klassifizieren 
  • Winter 22/23 war die bisher stärkste Welle seit Beginn der Aufzeichnungen

Gemessen an der mittleren Dauer der Hospitalisierungen sind alle Wellen gleich schwer. Dieser Parameter verliert jedoch zunehmend seine Eignung als Leitmerkmal für die Klassifizierung. Die Referenten halten die absolute Zahl an langen Hospitalisierungen aufgrund von RS-Virus-Infektionen (> 10 Tage) für das bessere Kriterium.

Zwischenfazit: Im zeitlichen Verlauf wechseln sich starke und besonders starke Wellen ab. Seit Beginn der Aufzeichnungen 2016 gibt es einen Trend zu einer Verstärkung der RSV-Wellen. Die Stärke der Wellen hat relativ gesehen keinen Einfluss auf die Schwere. 

Hat die Corona-Pandemie zu einer Trendwende bei RSV geführt? 

Basierend auf den Daten der Regensburger Kohorte folgern die Referenten: Ein signifikanter Pandemieeffekt im Hinblick auf Stärke und Schwere ist bei den RSV- Infektionen nicht zu beobachten. Die jährliche Welle an RSV-Infektionen ist und bleibt eine „vorhersagbare Katastrophe“. Was hat dann zu den Überlastungen der Kinderkliniken geführt? Ende 2022 fiel die besonders starke RSV-Welle zeitlich genau mit einer besonders starken Influenza-Welle zusammen. Normalerweise sind RSV und Influenza zeitlich leicht versetzt. Zudem hat sich der Mangel an Pflegekräften durch die Pandemie verschärft. 

Im Zeitverlauf der systematischen Datenerfassung lässt sich ein Effekt der Corona-Pandemie im Hinblick auf das zeitliche Auftreten der Welle erkennen: Die Wellen vor der Pandemie traten in der Regel zwischen Dezember und Februar auf. Die erste Welle nach der Pandemie startete bereits im September 21 und die aktuelle Welle im November 22. 

Auswirkungen der RS-Virus-Infektionen bei Kindern auf Erwachsene

Jedes Jahr werden Erwachsene mit RSV-Infektionen hospitalisiert. Seit 2016 steigen die Hospitalisierungen aufgrund des Respiratorischen Synzytial-Virus auch bei Erwachsenen. Es lassen sich nur zwei Ausnahmen feststellen: Winter 20/21 und 21/22. Winter 20/21 kommt wenig überraschend, da die Welle auch bei den Kindern ausgeblieben ist. Erinnert man sich an den Winter 21/22, so stellt man fest, dass Alten- und Pflegeheime hier noch im Lockdown waren. Es erfolgten somit kaum Eintragungen in diese besonders vulnerablen Gruppen. 

Eine systematische Analyse der Daten lässt auch erkennen, dass die RSV Wellen bei Erwachsenen leicht zeitversetzt zu denen bei Kindern einsetzen. Konkret folgt die RSV-Welle bei Erwachsenen der bei Kindern etwa 4 Wochen nach. 
 

Warum wird RSV bei Erwachsenen seit Jahren unterschätzt? 

Woran liegt es, dass RS-Virus-Infektionen bei Erwachsenen seit Jahren unterschätzt werden? Ein Grund liegt laut den Referenten darin, dass eine Infektion mit dem RS-Virus bisher nur selten systematisch per PCR-Testung diagnostiziert wird. Eine klinische Diagnose anhand der Beschwerden ist schwierig, da die Symptome denen anderer respiratorischer Infekte sehr ähnlich sind.

Wie schwer verläuft RSV bei Erwachsenen > 60 Jahre im Vergleich zu anderen Atemwegsinfektionen? Basierend auf den Regensburger Daten kommen die Referenten zu dem Ergebnis: RSV führte etwas häufiger zu Pneumonien, bakteriellen Superinfektionen, Beatmung und verläuft häufiger tödlich als Influenza. Untersucht wurden: RSV (n = 318), Influenza A (n = 591), Influenza B (n = 289).

Fazit: RSV bei Erwachsenen wird in Sachen Schwere im Vergleich zu anderen respiratorischen Infekten klar unterschätzt. Derzeitige Vorstöße in Sachen Impfstoffen geben Hoffnung. 

Wer hat ein erhöhtes Risiko, schwer zu erkranken? 

Bei Kindern ist eine Vorhersage sehr schwierig, wobei Frühgeborene und besonders junge Babys ein höheres Risiko haben. Auch bei erwachsenen Patienten ist der Hauptrisikofaktor das Alter und an zweiter Stelle Komorbiditäten, die häufig mit hohem Alter in Verbindung stehen.
 

Ausblick: Wie stark und schwer wird die Welle 23/24 bei Erwachsenen und Kindern ausfallen? 

Es ist zu erwarten, dass sich die Wellen wieder auf die Zeiträume von vor der Pandemie verschieben. Auf Basis der Daten seit 2016 prognostizieren die Referenten für 2023/24 eine starke Welle, aber keine besonders starke. Zu beachten ist: Die Welle dürfte zeitlich genau mit den Weihnachtsfeiertagen zusammenfallen. Das sollte bei der Urlaubs- und Kapazitätsplanung in Kinderkliniken unbedingt berücksichtigt werden. Für RSV bei Erwachsenen lässt sich festhalten: Die Welle wird vermutlich um etwa 4 Wochen versetzt zur Welle bei den Kindern auftreten. Das könnte den Erwachsenen-Stationen die Möglichkeit geben, sich entsprechend der Situation in Kinderkliniken vorzubereiten. Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass RSV bei älteren Erwachsenen als ernstes medizinisches Problem anerkannt wird. 

Sehen Sie sich jetzt die Aufzeichnung des Webinars an!

Aufzeichnung zum CME-Webinar „Fokus RSV – die unterschätzte Endemie?“ mit Prof. Dr. med. Michael Kabesch, Prof. Dr. med. Michael Pfeifer und Prof. Dr. med. Andreas Ambrosch.

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