Infekte bei Säuglingen & Kleinkindern – Was tun bei Schnupfen und Husten? Interview mit Dr. Manfred Praun

Schnupfen, Erkältungen, Husten – Säuglinge und Kleinkinder sind häufig krank. Kinderarzt Dr. Manfred Praun erklärt, warum, ab wann Sie mit den Kleinen zum Arzt sollten und was Sie gegen die Infekte tun können.

PARI-Blog: Warum haben gerade Säuglinge und Kleinkinder besonders häufig Infekte?

Dr. Praun: Säuglinge sind zunächst einmal relativ wenig infektanfällig, da sie über eine sogenannte „Leihimmunität“ durch die Mutter verfügen. Im letzten Drittel der Schwangerschaft gelangen mütterliche Antikörper, die durch selbst durchgemachte Infektionen oder auch Impfungen entstanden sind, über die Plazenta in den kindlichen Kreislauf. Das schützt die jungen Säuglinge weitgehend vor Infektionen in den ersten Monaten ihres Lebens. Sobald der geliehene Schutz, diese passive Immunität abnimmt, steigt jedoch auch das Risiko von viralen und bakteriellen Infektionen.

Durch den Besuch mit kleinen Kindern in Krabbelgruppen und Kitas wird das Immunsystem bereits früh aktiviert, sich gegen viele verschiedene Erreger zu wehren und Antikörper zu bilden. Aus diesem Grund haben Kleinkinder nach dem Start in der Kita/Krippe ständig Atemwegsinfekte, die zum Glück meist harmlos ablaufen. Trotzdem kann ein Infekt von einem in den anderen übergehen und den Eltern das Gefühl vermitteln, dass ihr Kind überhaupt nicht mehr richtig gesund wird.

Es gibt auch physiologische Gründe, warum kleine Kinder Infekte schlechter bewältigen können als Erwachsene. Die bei Kleinkindern deutlich horizontaler angeordneten Rippen und der insgesamt deutlich elastischere Brustkorb schwächen die Auswirkung der Atemarbeit der Muskeln zwischen den Rippen. Dadurch kann sich der Brustkorb bei der Einatmung weniger Ausdehnen und es strömt relativ gesehen weniger Luft in die Lunge.

Wenn nun Infekte der unteren Atemwege auftreten, kommt es zur Schwellung der Bronchialschleimhaut. Dies erfordert eine Steigerung der Atemarbeit und führt zu den häufig beobachteten paradoxen Brustkorbbewegungen - bei Einatmung zieht sich der Brustkorb zusammen und es werden sogenannte Einziehungen zwischen den Rippen und am Bauch sichtbar.

PARI-Blog: Wie viele Atemwegsinfekte haben Babys und Kleinkinder pro Jahr? Was ist normal? Ab wann gilt ein Säugling oder Kleinkind als besonders infektanfällig?

Dr. Praun: Bis zu zehn Infekte pro Jahr sind bei Kleinkindern keine Seltenheit, vor allem wenn ein Kleinkind eine Kita oder Kindergarten besucht. Diese Infekte betreffen häufig die oberen Atemwege und wirken oft harmlos. Jedoch ist beim Säugling auch eine leichte Infektion bedeutsam, da die Nasenatmung bevorzugt wird und deshalb ein „banaler“ Schnupfen auch mal größere Probleme mit sich bringt. Das Trinken an der Brust ist deutlich erschwert und dadurch die Nahrungsaufnahme beeinträchtigt.

Die häufigsten Infekte werden durch Rhinoviren (über 100 verschiedene Typen bekannt), RSV (Respiratorisches Synzitial-Virus), Metapneumoviren und Influenzaviren ausgelöst. Bakterielle Infektionen sind eher selten. Gerade im Winter sind die RS-Viren und Influenzaviren am häufigsten vertreten und lösen auch besonders starke Krankheitssymptome aus. RS-Viren sind hoch infektiös und führen bei fast allen Kleinkindern bis zum 2. Geburtstag mindestens einmal zu einer Infektion. Da selbst nach durchgemachter Infektion keine bleibende Immunität entsteht, können Kinder auch mehrfach erkranken.

PARI-Blog: Welche Kinder sind besonders anfällig?

Dr. Praun: Vor allem Kleinkinder, die im ersten Jahr im Kindergarten oder Kita betreut werden, erkranken erfahrungsgemäßig häufiger. Je früher die Kinder durch ältere Geschwisterkinder, die bereits eine Gemeinschaftseinrichtung besuchen, angesteckt werden, kann sich der Beginn gehäufter Infekte in jüngere Altersgruppen verschieben.

Die Praxis zeigt auch, dass Kinder, die dazu neigen, durch Infekte der oberen Atemwege chronische Belüftungsstörungen der Nase und Nasennebenhöhlen (kleine Siebbeinzellen in der Nase) zu entwickeln, besonders häufig krank werden. Der Grund ist relativ einfach. Durch die behinderte Nasenatmung wird die Funktion der Nase (Filterung, Anwärmung und Anfeuchtung der Luft) außer Kraft gesetzt. Durch die Mundatmung werden viele Partikel, Bioaerosole (wie Viren und Bakterien) ungefiltert in die unteren Atemwege eingeatmet und führen gehäuft zu Husten und Beteiligung der Bronchien. Daher profitieren gerade diese Kinder besonders von der Feuchtinhalation.

PARI-Blog: Der Säugling oder das Kleinkind hat einen akuten Atemwegsinfekt: Wann sollten Eltern zu Arzt oder Ärztin gehen?

Dr. Praun: Bei folgenden Symptomen sollen Eltern ihr Kind bei einer Ärztin oder Arzt vorstellen:

  • Temperaturerhöhungen bei einem Säugling unter drei Monaten von mehr als 38,5 Grad
  • Fieber 39 bis 40 Grad von mehr als zwei Tagen und schlechtes Trinkverhalten
  • Bauchschmerzen mit Abwehrspannung
  • Kopfschmerzen mit Erbrechen
  • Wesensveränderung

Husten mit Atemnot und pfeifenden, stöhnenden Geräuschen. Dazu ist zu beachten, dass auch die Atemfrequenz, die altersabhängig ist, eine Lungenerkrankung anzeigen kann. Sobald Atemnot sichtbar wird – entweder durch Einziehungen und paradoxer Atmung oder durch Erhöhung der Atemfrequenz – müssen Patienten untersucht werden, unabhängig vom Alter.

Bei Kleinkindern und Säuglingen mit Atemnotzeichen handelt es sich häufig um Virusinfektionen (zum Beispiel RSV, Influenza, Rhinoviren) und sollten auch bei Fieber nicht antibiotisch behandelt werden. Davon abzugrenzen sind bakterielle Infektionen durch Streptokokken, Pneumokokken und andere, die durch gründliche Diagnostik von Virusinfektionen abzugrenzen sind und gezielt behandelt werden sollten.

PARI-Blog: Wann ist eine Infektion ungewöhnlich und könnte vielleicht auf eine Grunderkrankung der Immunabwehr hindeuten?

Dr. Praun: Sobald bereits im jungen Alter ungewöhnliche Infektionen auftreten, wie Lungenentzündung, Gehirnhautentzündung oder schwer verlaufende Mittelohrentzündungen, muss an eine Störung der Immunabwehr gedacht werden. Hier finden Sie eine Liste von Warnzeichen.

Die Basisabklärung ist zunächst einfach und erfordert nur die Untersuchung der Immunglobuline (A, G, M, E) und einem Blutbild, sowie die Bestimmung der Anzahl der verschiedenen Typen der weißen Blutkörperchen. Bei auffälligen Befunden stehen spezialisierte Abteilungen in Kliniken zur Verfügung.

PARI-Blog: Was können Eltern tun, um ihren Kindern zu helfen, durch den Infekt zu kommen?

Dr. Praun: Jeder Infekt erfordert Zeit zur Ausheilung und Ruhe. Das ist die wichtigste Regel! Dazu können gesundes Essen, viel Flüssigkeitsaufnahme und regelmäßige Frischluft zur schnelleren Genesung beitragen. Gerade bei Atemwegsinfekten ist die Pflege der Atemwege durch Inhalation von isotoner Salzlösung (0,9 %) besonders zu empfehlen.

PARI-Blog: Welche Rolle spielt die Inhalation von Salzlösung mit einem Vernebler bei der Behandlung von Atemwegsinfekten?

Dr. Praun: Die Verneblung von Salzlösung (isotone oder auch dreiprozentige Kochsalzlösung) kann eine unterstützende Maßnahme bei der Behandlung von Atemwegsinfekten sein. Die Befeuchtung der Atemwege durch die Salzinhalation mittels Vernebler kann besonders hilfreich sein, wenn die meist empfindlichen Schleimhäute in den Atemwegen von Kleinkindern durch Infektionen, Allergien oder trockene Luft gereizt sind.

Durch die Befeuchtung der Atemwege kann das Sekret dünnflüssiger werden, was das Abhusten erleichtert und den Hustenreiz reduziert. Schleim und andere Ablagerungen werden dadurch aus den Atemwegen entfernt. Eine gut befeuchtete Atemwegsschleimhaut führt zu einer verbesserten Schlafqualität und das Kind kann sich schneller von einer Infektion erholen. Hypertone Salzlösung wirkt stärker schleimmobilisiernd und kann bei viraler Bronchiolitis den Krankenhausaufenthalt verkürzen, sowie die Symptome Atemgeräusche und Husten lindern.

Salzlösungen, die zusätzlich den Zellschutz Ectoin enthalten, weisen darüber hinaus eine antientzündliche Wirkung auf. Für Kleinkinder hat man mit den verschiedenen Salzlösungen eine sehr verträgliche Behandlungs-Option an der Hand. Sind die Eltern entsprechend instruiert, kann es auch sinnvoll sein, wenn diese beim ersten Anzeichen eines Infektes bei Ihrem Kind bereits zuhause mit der Salz-Inhalation mit einem Vernebler beginnen.

Wichtig: Bei schwerwiegenden Atemwegserkrankungen und anhaltenden Symptomen sollten die Eltern jedoch immer einen Arzt konsultieren.

PARI-Blog: Eine letzte Frage zum Abschluss – Atemwegsinfekten vorbeugen? Geht das?

Dr. Praun: Neben den klassischen guten Hygienepraktiken, einer ausgewogenen Ernährung, ausreichendem Schlaf, einer rauchfreien Umgebung und einer Vermeidung des Kontakts zu Infizierten – was bei Geschwisterkindern und im Alltag nicht immer möglich ist – sollte darauf geachtet werden, die Schleimhäute der Atemwege des Kindes feucht zu halten. Hierbei kann die Salzinhalation mit Vernebler gut unterstützen.

Eine klinische Studie hat sogar gezeigt, dass gesunde Erwachsene nach Verneblung von isotoner Kochsalzlösung weniger Bioaerosole, also Viren und Bakterien, ausatmen. Um diesen Effekt jedoch weiter zu bestätigen, sind zusätzliche Untersuchungen notwendig.

Aktuell haben wir die Möglichkeit, Kleinkinder in ihrer ersten RSV-Saison durch passive Immunisierung mit monoklonalen Antikörpern zu schützen oder schwangeren Müttern eine Impfung anzubieten. Aber gegen viele Erreger wie zum Beispiel Rhinoviren, die Erkältungssymptome auslösen, muss der Körper des Kindes eigene Antikörper bilden, um in Zukunft vor diesem Erreger weitgehend geschützt zu sein.

PARI-Blog: Lieber Dr. Praun, vielen Dank für das informative Gespräch.


Über Dr. Manfred Praun

Dr. Manfred Praun arbeitet in seiner Praxis PREVIMED als niedergelassener Facharzt für Kinder- und Jugendmedizin in Gilching. Sein Ziel: Kinder und Jugendliche nicht nur in Krankheit zu begleiten, sondern dafür zu sorgen, dass sie sich gesund entwickeln sowie stark und selbstbewusst in ihr Erwachsenenleben gehen können. Auf seinem YouTube-Kanal Doc Praun gibt er wertvolle Tipps rund um die Gesundheit von Babys, Kindern und Jugendlichen.


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Hinweis: Bei den im Interview getroffenen Aussagen handelt es sich um die individuelle Sichtweise des Interviewten. Dies spiegelt nicht zwangsläufig die PARI Sichtweise oder den allgemeinen Stand der Wissenschaft wider.


Ein Beitrag der PARI-BLOG Redaktion.


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