Warten auf die Lungentransplantation: Erfahrungsbericht eines Mukoviszidose-Patienten

Eine Lungentransplantation kann für Mukoviszidose-Patienten letzter Ausweg und Therapieoption sein, um den Tod abzuwenden, wenn die Lunge durch Erkrankung und Bakterien einmal zerstört ist. Eine Entscheidung für oder gegen eine Transplantation muss jeder Patient individuell treffen. Im Interview schildert der CF-ler, Reiner Heske, seine Erfahrungen, die er bei Entscheidungsfindung und beim Warten auf die Lungentransplantation gemacht hat.

PARI-Blog: Reiner, Sie haben 2013 eine neue Lunge erhalten. Warum?

Reiner Heske: Ich lebe mit der Erbkrankheit Mukoviszidose (CF). Dabei handelt es sich um die häufigste erbliche Stoffwechselerkrankung. Besonders betroffen ist die Lunge, die verschleimt, und im Laufe der Zeit durch Lungenentzündungen zerstört wird. Bei mir war daher bereits in einem Alter von 18 Jahren an Sport oder ähnliches nicht mehr zu denken. Meine Belastungsfähigkeit nahm beständig ab. Ab einem Alter von 31 Jahren benötigte ich nachts Sauerstoff. 2012 musste ich mich vier schweren Operationen an Bauchspeicheldrüse und Darm unterziehen, die mit Komplikationen einhergingen. Ich fühlte mich seelisch und körperlich am Ende. Das überlebt zu haben, grenzte bereits an ein Wunder. Doch Ende 2012 bekam ich noch zwei schwere Lungenentzündungen. Das gab dem letzten noch funktionierendem Teil meiner Lunge den Rest. Von da an benötigte ich 24 Stunden am Tag sechs Liter zusätzlichen Sauerstoff, was eine Menge ist. Selbst unter die Dusche konnte ich nicht mehr ohne Sauerstoffzufuhr. Mein FEV1-Wert lag bereits seit Jahren nur noch um die 35 %, vor der Transplantation betrug dieser weniger als 30%. Es war an der Zeit mich für oder gegen eine Lungentransplantation zu entscheiden.

PARI-Blog: Ist Ihnen die Entscheidung für eine Transplantation schwergefallen? Schließlich stellt eine Lungentransplantation eine massive Operation dar. Zudem muten die Überlebensraten eher ernüchternd an, wenn man bedenkt, dass zum Beispiel nur 53% der Lungentransplanierten nach fünf Jahren und 32% nach zehn Jahren noch leben.*

Reiner Heske: Die Entscheidung ist mir nicht schwergefallen. Bereits als Jugendlicher war mir klar, dass ich diesen Schritt einmal gehen würde, sollte es soweit kommen. Ich wollte schon immer wissen, wie es sich anfühlt richtig atmen zu können. Das Jahr 2012 war das härtestes meines Lebens. Meine Lebensqualität war vor der Transplantation extrem eingeschränkt und natürlich wusste ich nicht, wie lange ich in diesem Zustand überhaupt noch leben würde. Vielleicht ein Jahr? Ein weiteres Argument für die Lungentransplantation war, meine Eltern überleben zu wollen, und für sie da sein zu können, wenn sie alt und nicht mehr so fit sind. Außerdem habe ich grundsätzlich immer schon gern gelebt. Ich wollte damals einfach weiterleben. Die Transplantation war meine einzige Chance. Ich bin meinem Spender für immer sehr dankbar, dass er oder sie sich zu Lebzeiten für eine Organspende entschieden hat.

PARI-Blog: Wie haben Sie sich auf die Lungentransplantation vorbereitet?

Reiner Heske: Eigentlich recht wenig. Ich ging zum Aufklärungsgespräch und das war es im Großen und Ganzen. In diesem Gespräch werden einem die Fakten und Einschränkungen, die einen nach einer Transplantation erwarten, knallhart erklärt. Ich habe versucht, mich mental nur mit dem Nötigsten zu beschäftigen und mir ansonsten möglichst wenig einen Kopf darüber zu machen, um die ganze Sache entspannt angehen zu können. Natürlich packte ich die Tasche für das Krankenhaus und war stets erreichbar für den Anruf. Und natürlich war ich darauf bedacht, mich für die Transplantation körperlich so fit wie möglich zu halten. Man weiß ja nicht, wie lange man auf das Organ warten muss. Daher inhalierte ich sehr viel, man kann sagen, ich war ein „Inhalations-Junkie“. Soweit es ging, machte ich außerdem kleine Spaziergänge.

PARI-Blog: Sie sagen, Sie waren ein „Inhalations-Junkie“? Wie dürfen wir das verstehen?

Reiner Heske: Ja. So würde ich mein damaliges Ich tatsächlich bezeichnen (lacht). Schon immer inhalierte ich mindestens zwei Stunden am Tag, bei Infekten noch mehr. Inhalation war die einzige Maßnahme, die mir etwas brachte. Ich hatte immer sehr viel und sehr hartnäckiges Sekret in der Lunge. Nur durch die Inhalation in Verbindung mit der Autogenen Drainage (Atemtechnik zur Schleimmobilisation; Anmerkung der Redaktion) war es mir möglich, dieses aus der Lunge heraus zu befördern und damit weniger husten und besser atmen zu können. Außerdem nahm ich mir den Leitsatz zu Herzen ‚Wo kein Schleim, da kein Keim‘ (lacht), um meine Lunge immer möglichst sauber zu halten. Zum einen war das die einzige Maßnahme, wodurch ich tagsüber einigermaßen Luft bekommen konnte. Zum anderen ließ sich so die ein oder andere intravenöse Antibiotika-Therapie verhindern.

PARI-Blog: Wie war die Wartezeit von der Listung für die Transplantation bis zum Anruf, dass eine passende Lunge für Sie da ist?

Reiner Heske: Die Wartezeit war bei mir ungewöhnlich kurz. Das mag vielleicht daran liegen, dass ich die häufigste Blutgruppe habe. Und ich hatte wahrscheinlich einfach Glück. Der erste Anruf vom Transplantationszentrum kam um 7 Uhr morgens einen Tag, nachdem ich wusste, dass ich gelistet war. Von meiner Listung erfuhr ich durch Zufall, als ich dem Zentrum meine neue Adresse telefonisch mitteilte. Nach dem ersten Anruf stellte sich schnell heraus, dass es ein Fehlalarm war. Das Spenderorgan war nicht für die Transplantation geeignet. Ab diesem ersten Anruf stieg die Nervosität enorm. Meine Aufregung erhöhte sich jedes Mal, wenn das Telefon nur klingelte. Nach einer Wartezeit von circa zwei Wochen erhielt ich wieder morgens den Anruf, eine Lunge für mich sei nun da. Ich hatte ungefähr eine Stunde Zeit, um mich zuhause fertig zu machen und von meiner Familie zu verabschieden. Dann wurde ich vom Rettungswagen abgeholt und ins 300 Kilometer entfernte Transplantationszentrum gefahren. Auf dem Weg dorthin hatte ich noch Zeit, meine Freunde und Arbeitskollegen anzurufen und Bescheid zu geben, dass es losginge. Ich sagte ihnen, wir würden uns in meinem neuen Leben wiedersehen. Bis kurz vor der OP war ich relativ ruhig. Irgendwie freute ich mich auf die Operation sogar, weil ich mit meinem damaligen gesundheitlichen Zustand wirklich keine Lebensqualität mehr hatte. Ich dachte bewusst nicht über die Gefahren und Konsequenzen nach, sondern konzentrierte und freute mich auf mein Leben mit einer bald funktionierenden Lunge . Und wie ich heute sagen kann, war diese Freude absolut berechtigt. An diesem Tag ist zwar leider auch ein lieber Mensch verstorben, jedoch hat dieser Mensch mir und vermutlich noch anderen Patienten mit seiner Entscheidung für die Organspende ein Weiterleben ermöglicht. Ich kann nicht oft genug betonen, wie dankbar ich meinem Spender und dessen Angehörigen dafür bin.

PARI-Blog: Reiner, vielen Dank für das Gespräch. 

 

Über Reiner Heske:

Reiner Heske wurde 1969 mit der Erbkrankheit Mukoviszidose geboren und 2013 Lungen transplantiert. Nach seiner Transplantation wurde er sportlich aktiv und nahm an Sportveranstaltung teil, um auf Mukoviszidose und auf die Wichtigkeit von Organspenden aufmerksam zu machen. Zusätzlich zu diesem Engagement veranstaltet Reiner Heske selbst Spendenläufe für Mukoviszidose. Mehr Informationen über die Muko-Spendenläufe und das Thema Organtransplantation finden Sie unter: https://www.reinerheske-laufendhelfen.de

 

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Hinweis: Bei den im Interview getroffenen Aussagen handelt es sich um die individuelle Sichtweise des Interviewten. Diese spiegeln nicht zwangsläufig die PARI Sichtweise oder den allgemeinen Stand der Wissenschaft wider.


Ein Beitrag der PARI-BLOG Redaktion.


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